Davy saß an der anderen Seite der Tafel. Seine klargeschnittenen Züge glänzten vor Schweiß, und er bemühte sich, ein streng dienstliches Gesicht zu machen.

Im Grunde zählten nur sie drei: Don Luis Puigserver, Raymond und Bolitho selbst. Der erstere sagte:»Spanien hat Menorca mit Dank wieder in Empfang genommen, ebenso gewisse andere Inseln — Konzessionen, welche sich aus diesem unglückseligen Kriege ergaben. «Eine Sekunde lang hafteten seine Augen an Bolitho; dunkle, fast schwarze Augen, wie spanische Oliven.»Als Gegenleistung hat sich Seine Katholische Majestät veranlaßt gesehen, dieser neuen gemeinsamen Unternehmung Ihren Allerhöchsten Segen zu erteilen. Die Unternehmung ist übrigens nicht ohne Risiko. «Er blickte zu Raymond hinüber.»Vielleicht sind Sie so freundlich, die Einzelheiten zu erläutern?»

Raymond machte Miene aufzustehen, blieb aber dann doch sitzen.»Wie Ihnen bekannt sein wird, Captain Bolitho«, begann er,»hat der französische Admiral Suffren mehrfach unsere Schiffe und Territorien in Ostindien sowie in Indien selbst angegriffen. Holland und Spanien — «, er zögerte, weil Capitan Triarte ein diskretes, aber vorwurfsvolles Hüsteln vernehmen ließ,»- waren Frankreichs Alliierte, hatten aber nicht die erforderlichen Geschwader und Truppen zur Verfügung, um ihre Besitzungen in diesem Gebiet zu schützen. Suffren tat es für sie. Er eroberte unseren Hafen Trincomali und gab ihn den Holländern nach dem Krieg zurück. Es gibt da noch mehrere ähnliche Fälle, doch werden Ihnen die meisten bereits bekannt sein. Nun hat Spanien im Austausch gegen gewisse andere

Vergünstigungen, die für Sie im Moment ohne Interesse sind, prinzipiell eingewilligt, eines seiner Territorien auf Borneo an England abzutreten. «Er warf Bolitho einen Blick zu, den dieser als impertinent empfand.»Und dahin segeln Sie natürlich.»

Natürlich. Es klang so einfach: Die Reise wurde eben zweioder dreitausend Meilen länger. Raymond sprach von Borneo, als handle es sich um Plymouth.

Gelassen warf Bolitho ein:»Mir ist der Sinn dieser — hm — Abmachungen nicht ganz klar.»

Puigserver mischte sich ein.»Das glaube ich Ihnen gern, Capitan.«Er warf Raymond einen kalten Blick zu.»Reden wir offen. Um bei diesem unsicheren Waffenstillstand weitere Spannungen zu vermeiden, denn genau das ist dieser Friedensschluß, müssen wir mit äußerster Vorsicht vorgehen. Die Franzosen haben trotz ihrer Anstrengungen in Indien so gut wie nichts gewonnen; und sie sind empfindlich gegen jede rasche Expansion eines anderen Staates in der Umgebung ihrer ohnehin schrumpfenden Einflußzonen. Ihr Ziel, Capitan, ist Teluk Pendang: ein ausgezeichneter Ankerplatz, eine beherrschende Position für jedes Land, das den Wunsch hat, noch weitere Stützpunkte in diesem Gebiet anzulegen. Kurz, die Brücke zu einem Weltreich.»

«Ich sehe schon, was Sie meinen, Senor«, nickte Bolitho. Aber er sah gar nichts, und er hatte auch noch nie von diesem Ort gehört.

Raymond riß das Gespräch wieder an sich.»Als im vorigen Jahr der Friede unterzeichnet war, sandte unsere Regierung die Fregatte Fortunante mit den Dokumenten dieses Abkommens nach Madras. Unterwegs stieß sie in Höhe des Kaps der Guten Hoffnung auf zwei heimkehrende Fregatten des Admirals Suffren. Diese wußten, was durchaus natürlich war, nichts von dem Friedensschluß und ließen dem Kapitän der Fortunate auch keine Zeit zu Erklärungen. Es kam zum Gefecht; die Fortunate schoß eines der französischen Schiffe so zusammen, daß es in Brand geriet und sank. Unglücklicherweise fing sie selbst ebenfalls Feuer und ging mit dem Großteil ihrer Mannschaft unter.»

Bolitho konnte sich die Szene ausmalen. Drei Schiffe auf offener See. Zwischen ihren Ländern herrschte zwar endlich Friede, aber die Kapitäne wußten nichts davon, sondern waren noch voller Kampfeseifer, wie man es ihnen beigebracht hatte.

«Wie dem auch sei«, fuhr Raymond fort,»der überlebende französische Kapitän war ein alter Haudegen namens Le Chaumareys, einer der besten Frankreichs.»

Bolitho lächelte.»Ich habe von ihm gehört.»

«Ja«, sagte Raymond nervös,»bestimmt haben Sie das. Gewisse Leute in der Regierung nehmen nun an, daß die Franzosen durch Le Chaumareys von diesem unserem Abkommen mit Spanien erfuhren. Wenn das der Fall ist, muß sich Frankreich aufs höchste beunruhigen über die Aussicht, daß wir ein weiteres jener Territorien, um die es für Spanien gekämpft hat, in Besitz nehmen wollen.»

Jetzt hatte Bolitho begriffen: darum all die vagen Andeutungen in der Admiralität, die ganze Geheimnistuerei. Kein Wunder. Wenn Frankreich Wind von Englands Absicht bekam, in Ostindien eine expansive Politik zu betreiben, dann mußte ein neuer Krieg ausbrechen. Es war, als stünde jemand mit einer brennenden Lunte in einem Pulvermagazin.»Was sollen wir also tun?«fragte Bolitho.

Raymond entgegnete:»Sie werden zusammen mit der Nervion segeln. «Er schluckte.»Sie wird das Führungsschiff sein, und Sie werden sich entsprechend verhalten. In Madras werden Sie den neuen britischen Gouverneur an Bord nehmen und ihn mit den gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Truppen an seinen neuen Amtssitz bringen, nämlich nach Teluk Pendang. Ich begleite Sie, denn ich habe Depeschen für ihn und soll ihm, soweit es mir möglich ist, mit Rat und Tat zur Seite stehen.»

Puigserver sah ihn an wie ein guter Onkel seinen kleinen klugen Neffen.»Und ich werde an Ort und Stelle dafür sorgen, daß unsere Leute keinen Unsinn machen, wie?»

Mißmutig sprach Raymond weiter.»Die Franzosen haben eine Fregatte in diesen Gewässern, die Argus, mit 44 Geschützen. Es heißt, daß Le Chaumareys sie kommandiert. Er kennt die Sunda-Inseln und Borneo so gut, wie es einem Europäer möglich ist.»

Bolitho atmete langsam aus. Der Plan war soweit ganz gut. Die Entsendung eines britischen Geschwaders hätte früher oder später zur offenen Seeschlacht geführt; aber zwei Fregatten verschiedener Nationalität waren nicht so auffällig und würden doch der Argus mehr als gewachsen sein, sowohl prestigemäßig als auch hinsichtlich der Feuerkraft.

Langsam schritt Puigserver zu dem großen Fenster und starrte auf die vor Anker liegenden Schiffe hinunter.»Eine lange Reise, meine Herren, die aber, wie ich hoffe, uns allen zum Vorteil gereichen wird. «Er wandte sich Bolitho zu; sein Gesicht lag im Schatten.»Sind Sie seeklar?»

«Aye, Senor. Wir müssen nur noch Trinkwasser übernehmen und frisches Obst, wenn das möglich ist.»

«Wird bereits erledigt, Capitan.«Er lächelte breit.»Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht auf einige Zeit Gastfreundschaft erweisen kann, aber diese Insel ist sowieso ein trauriger Aufenthalt. Wenn Sie aber einmal nach Bilbao kommen sollten — «, er küßte die Fingerspitzen,»- dann kann ich Ihnen zeigen, wie man lebt. «Er lachte dem übellaunig dreinschauenden Raymond ins Gesicht.»Und ich denke, wir werden einander wesentlich besser kennen, wenn diese Reise zu Ende ist.»

Die spanischen Adjutanten verneigten sich ehrerbietig, als Puigserver zur Tür schritt.»Wir sehen uns noch, bevor wir segeln!«rief er und fügte, schon im Hinausgehen, hinzu:»Aber morgen lichten wir Anker, komme was wolle.»

Lebhafte, gedämpfte Unterhaltung setzte ein, und Raymond kam um den Tisch herum zu Bolitho.»Dieser verdammte Kerl!«flüsterte er wütend.»Noch ein Tag mit ihm, und ich hätte ihm meine Meinung gesagt!»

«Auf welchem Schiff wollen Sie segeln?«fragte Bolitho.»Meins ist ja ganz ordentlich, aber viel kleiner als der Spanier.»

Raymond drehte sich halb nach dem spanischen Kapitän um, der mit seinen Leuten außer Hörweite sprach.

«Mit dem Spanier segeln? Und wenn Ihr Schiff eine lausige Kohlenschute wäre — mir wäre es immer noch lieber als die Nervion!»

Davy flüsterte:»Ich glaube, sie erwarten, daß wir gehen.»

Raymonds Gesicht wurde noch finsterer.»Ich komme mit auf Ihr Schiff, da können wir alles besprechen. Hier kann man ja nicht einmal atmen, ohne daß einer lauscht.»


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