Der Commodore unterdrückte einen tiefen, gurgelnden Husten. Die roten Flecken danach auf seinem Taschentuch stammten nicht vom Wein. Vorsichtig sagte Bolitho:»Ich möchte Sie nicht behelligen, Commodore, aber ich könnte den Arzt der Truculent kommen lassen. Er ist ein guter Mann, den ich schätze.»

Warren richtete sich auf.»Es geht schon, Sir Richard. Ich kenne meine Pflichten.»

Bolitho sah sich um. Das Kommando über dieses alte Schiff und der Dienstrang eines Commodore war alles, was der Mann in seinem ganzen Leben erreicht hatte. Bolitho versuchte, sein Mitleid zu verbergen, und fuhr fort:»Ich habe neue Befehle an das Geschwader geschickt. Einige Schiffe muß ich abziehen und nach England in Marsch setzen. «Schimmerte da Hoffnung in Warrens Augen auf? Er mußte ihn enttäuschen.»Leider nur Fregatten, nicht dieses Schiff, Sir. Wir brauchen eine neue Strategie, um Kapstadt zu erobern und danach auch zu halten, ohne daß wir uns auf eine lange Belagerung einlassen, die nur die Holländer gewinnen würden.»

Warren antwortete heiser:»Die Armee wird das nicht mögen, Sir Richard. Sir David Baird ist ein Eisenfresser.»

Bolitho dachte an den Brief, der in seinem Safe auf der Truculent eingeschlossen lag. Dieser Brief war nicht wie andere von einem Sekretär oder einem Lord der Admiralität unterzeichnet, sondern trug Unterschrift und Siegel des Königs. Obwohl es hieß, daß

Warren unterdrückte wieder einen Hustenanfall.»Was habe ich zu tun? Ich bin Ihr ergebener Diener, Sir Richard. Wenn Kapitän Varian Ihnen gemeldet haben sollte…»

Bolitho unterbrach ihn.»Ich gehöre seit meinem zwölften Lebensjahr der Marine an und habe seither gelernt, mir eine eigene Meinung zu bilden. «Er stand auf, trat ans Fenster und blickte über die Kanonenattrappe hinweg zum nächsten Schiff, einer Fregatte.»Ich werde nicht ein einziges Leben mehr aufs Spiel setzen, Commodore Warren, als nötig ist, damit wir beide hier unser Bestes geben können. Überall in der Marine sind loyale Männer und Offiziere enttäuscht, daß der Sieg von Trafalger nicht vollständig war. Aber es wird noch Jahre dauern, bis der Tyrann Napoleon besiegt ist.»

Warren und der Diener starrten ihn an, denn er hatte sehr laut gesprochen. Nun lächelte er.»Vergeben Sie mir meinen Übereifer. Aber ich habe zu viele gute Schiffe untergehen, zu viele tapfere Männer fallen gesehen, weil ihre Vorgesetzten Fehler begingen. Wer die harten Gesetze des Krieges lieber vergessen möchte, wird es unter meinem Kommando schwer haben. «Er nahm seinen Hut.

«Augenblick noch, Sir Richard. «Warren nahm seinen eigenen Hut aus der Hand des Dieners und folgte ihm an Deck bis zur Seitenpforte. Seine Stimme klang viel fester.»Den Krieg kennen meine Männer und ich bisher nicht. Aber ich werde mein Bestes tun, genau wie meine Leute.»

Jenour sah Bolithos ernstes Lächeln und wußte, daß Wichtiges vor ihnen lag.

Commodore Warren blickte sich suchend nach Maguire um. Für die alte Themis war offensichtlich kein Flaggoffizier eingeplant worden.

Bolitho nahm Jenour beiseite.»Wir werden später hierher umziehen, Stephen, wenigstens für die nächste Zeit. Bereiten Sie die anderen auf der Truculent darauf vor. Mr. Yovell allerdings wird die ganze Nacht für mich zu schreiben haben. Und dann finden Sie mir hier an Bord einen guten Signalmeister, es tut nie gut, dafür einen Fremden mitzubringen. Ferner möchte ich um acht Glasen morgen alle Kommandanten hier an Bord sehen, also warnen Sie sie vor.

Schicken Sie dazu das Wachboot rum, wenn Sie wollen.»

Jenour verschlug dieses Tempo den Atem. Ihm war, als habe sich Bolitho aus einem Gefängnis befreit.

«Der Feind weiß, daß wir hier sind«, fuhr Bolitho fort.»Er kann uns beobachten. Ich möchte mir jenseits des Kaps den zweiten Ankergrund ansehen, vielleicht erspart uns das einen Hundert-Meilen-Marsch. Mein Befehl an den General lautete deshalb, den Angriff zu verschieben.»

Jenour sah Bolithos Augen, sie waren grau wie der Ozean, über den er blickte.»Aber Sie rechnen mit dem Widerstand des Generals, nicht wahr?»

Bolitho klopfte Jenour auf den Arm.»Wir handeln unabhängig voneinander. Da wir heute schon öfter an Nelson gedacht haben, sollten wir uns auch an seine Worte erinnern: Die kühnsten Maßnahmen sind fast immer die sichersten.»

In dieser Nacht saß Bolitho am Heckfenster seiner Kajüte auf der Themis und beobachtete die Schiffe, ohne Schlaf zu finden.

In diese Kajüte hatte sich einst ein Gouverneur geflüchtet — vor der Pest, die in seiner Kolonie ausgebrochen war.

Die Luft hing schwer und feucht im Raum. Draußen patrouillierte das Wachboot langsam zwischen den ankernden Schiffen. Bolitho dachte an Cornwall und an den scharfen Wind seiner Heimat. Jetzt lag er im Schatten Afrikas, weil andere es so gewollt hatten. Brauchte man sein Können hier so dringend? Oder war ihnen ein toter Held wie Nelson lieber als ein lebender, dessen Anwesenheit sie ständig an ihre Fehler erinnerte?

Das Deck zitterte, als eine Strömung das Schiff an der Ankerkette bewegte. Vom Wechsel auf die Themis hatte Allday nicht viel gehalten. Die Mannschaft war zu lange an Bord, viele waren von Handelsschiffen in der Karibik gepreßt worden, manche hatten Schiffsuntergänge überlebt, und viele waren aus den Gefängnissen Jamaikas geholt worden. Wie Warren war auch dieses Schiff ausgelaugt, erledigt. Bolitho hatte am Seitendeck die Halterungen für die Drehbassen gesehen. Die zeigten nicht auf den Feind, sondern binnenbords auf die eigenen Leute, noch aus der Zeit, als das Schiff Sträflinge und Kriegsgefangene transportiert hatte.

Auch Ozzard schlief nicht, Bolitho hörte ihn in der neuen Speisekammer rumoren. Ozzard, der ein Geheimnis mit sich herumtrug, wie Bolitho aufgefallen war. Er gähnte und rieb sich das verletzte Auge. Warum war Ozzard damals nicht an Deck gewesen, als Überlebende und Verwundete die sinkende Hyperion verließen? Darüber fiel ihm sein Flaggkapitän und Freund Valentine Keen ein, den der Verlust des alten Schiffes genauso geschmerzt hatte. Und dann schlief Bolitho doch ein.

III Wer ist die Albacora?

Der kleine Toppsegelschoner Miranda erinnerte an eine riesige, flatternde Motte. Möwen umkreisten ihn schreiend, als er gischtumhüllt wendete. Seine Spieren gingen über, dann fingen die Segel den Wind von der anderen Seite ein.

Die Miranda krängte so weit nach Lee, daß die See durch ihre Speigatten rauschte, sogar über die Reling einstieg und die Vierpfünder an Deck umspülte, als seien es Felsen im Meer. Das Donnern der Brecher und das Knallen der Leinwand umgaben das Schiff. Kommandos waren kaum nötig, denn jeder an Bord wußte, was er zu tun hatte und wo Gefahren drohten. Die See konnte einem Mann an Deck die Knochen brechen, der Wind ihn fauchend über Bord fegen. Ein so kleines, quirliges Schiff brauchte aufmerksame und erfahrene Männer.

Achtern am Kompaß hielt sich ihr Kommandant, Leutnant James Tyacke, an einer Pardune fest. Wie seine ganze Besatzung war er naß bis auf die Haut. Mit geröteten Augen starrte er durch die Gischt hoch zum brettharten Großsegel und seiner Flagge, während das Schiff mit südlichem Kurs durch die Seen pflügte.

Sie hatten die ganze Nacht und ein Gutteil des Tages dazu gebraucht, um sich aus der Saldanhabucht freizusegeln, weg von den ankernden Kriegsschiffen, Versorgern, Bombarden, Truppentransportern und kleineren Einheiten. Leutnant Tyacke war lange nach Westen abgelaufen, um genügend Raum für eine schnelle Reise hinunter zu Commander Warrens kleiner Flottille zu haben. Noch aus einem anderen Grund war er weit auf See hinaus gesegelt, und den ahnte allenfalls der zweite Mann an Bord. Tyacke wollte so viel Raum wie möglich zwischen sich und die Flotte legen, damit ihn nicht wieder ein Befehl zum Flaggschiff zurückrief.


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