Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Das Theater ist geteilt, der Hauptteil stellt das Zimmer Alcests, der kleinere einen Alkoven vor.
Söller, im Domino, den Hut auf, die Maske vorm Gesicht, ohne Schuhe, kommt ganz leise zur Nebentüre herein, leuchtet vorsichtig mit einer Blendlaterne umher; da er alles still findet, kommt er mit leisen Schritten hervor an den Rand des Theaters, nimmt die Maske und den Hut ab und wischt sich das Gesicht.
Zum Leben braucht's nicht just, daß man so tapfer ist.
Man kommt auch durch die Welt mit Schleichen und mit List.
Der eine geht euch hin, bewaffnet mit Pistolen,
Sich einen Sack mit Geld, vielleicht den Tod zu holen,
Und ruft: Den Beutel her! Her! Ohn euch viel zu sperrn!
Mit so gelaßnem Blut, als spräch er: Prost, ihr Herrn!
Ein andrer zieht herum, mit zauberischen Händen
Und Volten wie der Blitz die Uhren zu entwenden.
Und wenn ihr's haben wollt, er sagt euch ins Gesicht:
Ich stehle, gebt wohl acht! Er stiehlt, ihr seht es nicht.
Mich machte die Natur nun freilich viel geringer;
Mein Herz ist allzuleicht, zu plump sind meine Finger;
Und doch kein Schelm zu sein, wird heutzutage schwer,
Das Geld nimmt täglich ab, und täglich braucht man mehr.
Doch ist's ein schlechtes Ding um halbe Bösewichter.
Ich seh's, man wird zum Dieb geboren wie zum Dichter;
Und pfuscht nur einer drein, so fühlt er wie der Blitz
Die Peitsche der Kritik, die Rute der Justiz.
Du bist nun einmal drin; nun hilf dich aus der Falle!
Ach! alles meint zu Haus, ich sei schon lang beim Balle.
Mein Herr Alcest, der schwärmt, mein Weibchen schläft allein;
Die Konstellation wie kann sie schöner sein?
Er nimmt die Schatulle vom Tisch.
O komm, du Heiligtum! Du Gott in der Schatulle!
Ein König ohne dich wär eine große Nulle.
Er zieht die Diebesschlüssel aus der Tasche und sagt unter dem Aufbrechen.
Habt Dank, ihr Dietriche! ihr seid der Trost der Welt!
Durch euch erlang ich ihn, den großen Dietrich, Geld!
Ich war einst Sekretär bei einem Bürgermeister.
Ein Sekretär! Das ist kein Werk für kleine Geister,
Es ist ein künstlich Amt und will getrieben sein.
Ja, wie ich das noch war, da bild't ich mir was ein,
Da ging ich wie ein Prinz. Ein Dieb wurd eingefangen,
Die Schlüssel fanden sich, und er, er ward gehangen.
Nun weiß man, die Justiz behält stets was für sich;
Ich war nur Subaltern, das Eisen kam an mich;
Ich hob es auf. Ein Ding mag noch so wenig taugen,
Es kommt ein Augenblick, und man kann alles brauchen.
Und jetzt —
Das Schloß geht auf.
O schön gemünzt! Ja, das ist wahre Lust!
Die Tasche schwillt von Geld, von Freuden meine Brust —
Wenn es nicht Angst ist.
Er horcht.
Horch! Verflucht! ihr feigen Glieder!
Was zittert ihr?
Er fährt zusammen.
Horch! — Nichts!
Er macht die Schatulle zu.
Genug! Nun gut!
Er will gehen, erschrickt, und steht still.
Schon wieder!
Es geht was auf dem Gang! Es geht doch sonst nicht um.
Der Teufel hat vielleicht sein Spiel. Das Spiel wär dumm!
Ist's eine Katze? Nein! Das geht nicht wie ein Kater.
Geschwind! Es dreht am Schloß.
Er springt in den Alkoven und sieht durch die Vorhänge.
Behüt! mein Schwiegervater.
Zweiter Auftritt
Der Wirt kommt im Schlafrocke, der Nachtmütze und Pantoffeln mit einem Wachsstock furchtsam zur Nebentüre herein. Söller im Alkoven horchend.
Wirt.
Es ist ein närrisch Ding um ein empfindlich Blut,
Es pocht, wenn man auch nur halbweg was Böses tut.
Dächt ich nicht aus dem Brief was Wichtiges zu holen,
Ich wär gewiß nicht da! Ich glaub, er kam aus Polen.
Die Zeitung heutzutag ist unerträglich kalt,
Das Neuste, was man hört, ist immer monatsalt.
Der Zeitungsschreiber selbst ist wirklich zu beklagen,
Gar öfter weiß er nichts, und oft darf er nichts sagen.
Wär ich nur gnädger Herr, ich müßt Minister sein,
Und jeglicher Kurier ging bei mir aus und ein.
Er sucht überall.
Er ging noch erst herauf, und holte Hut und Degen;
Ich hoff doch auch, es war, den Brief bei Seit zu legen.
Er sucht.
Söller im Alkoven.
Du guter alter Narr! ich seh wohl, es hat dich
Der Diebs- und Zeitungsgott nicht halb so lieb als mich.
Wirt.
Ich find ihn nicht!
Er erschrickt.
O weh! Hör ich auch recht? Daneben
Im Zimmer?
Er horcht.
Söller erschrocken.
Riecht er mich vielleicht?
Wirt.
Es knistert eben,
Als wär's ein Weiberschuh.
Söller getrost.
Schuh! Nein! das bin ich nicht.
Wirt bläst den Wachsstock aus.
Ft! Bleibe, wer da will! Geh auf!
Er kann das Schloß in der Eile nicht aufmachen, und läßt darüber den Wachsstock fallen; endlich stößt er die Tür auf und läuft davon.
Dritter Auftritt
Sophie mit einem Licht kommt zur Haupttüre herein; Söller im Alkoven.
Söller erstaunt.
Ein Weibsgesicht!
Fast so wie meine Frau! Ich hoffe nicht!
Sophie setzt das Licht auf den Tisch und kommt hervor.
Ich bebe
Bei dem verwegnen Schritt.
Söller mit Karikatur.
Sie ist's! So wahr ich lebe!
Adieu du armer Kopf! — Allein, gesetzten Falls,
Ich zeigte mich! — Und dann — Ja, dann adieu mein Hals!
Sophie.
Sophie, du kommst zu ihm, was hast du unternommen?
Doch kann es anders sein? Er darf zu dir nicht kommen,
An meinem Zimmer ist mein Vater allzunah,
Und hier ist alles leer.
Söller.
Leer, und der Mann ist da!
Sophie.
Ja, folgt der Liebe nur! Mit freundlichen Gebärden
Lockt sie euch anfangs nach —
Söller.
Ich möchte rasend werden!
Und darf nicht —
Sophie.
— Doch wenn ihr einmal den Weg verliert,
Dann führt kein Irrlicht euch so schlimm, als sie euch führt.
Söller.
Jawohl, dir wär ein Sumpf gesünder als das Zimmer.
Sophie.
Bisher ging's ziemlich schlimm, doch es wird täglich schlimmer.
Mein Mann macht's bald zu toll. Bisher gab's wohl Verdruß;
Doch jetzt treibt er's, daß ich ihn gar verachten muß.
Söller.
O Hexe!
Sophie.
Meine Hand hat er, Alcest inzwischen
Besitzt, wie sonst, mein Herz.
Söller.
Zu zaubern, Gift zu mischen,
Ist nicht so schlimm!
Sophie.
Dies Herz, das er zuerst entflammt,
Das erst durch ihn gefühlt, was Liebe sei —
Söller.
Verdammt —
Sophie.
Kalt, spröde war dies Herz, eh es Alcest erweichte.
Söller.
Ihr Männer! stündet ihr all nur einmal so Beichte!
Sophie.
Wie glücklich war ich sonst!
Söller.
Sonst! Nun, das ist vorbei!
Sophie.
Wie liebte mich Alcest!
Söller.
Pah! das war Kinderei!
Sophie.
Das Schicksal trennt uns bald, und ach! für meine Sünden
Mußt ich mich — welch ein Muß — mit einem Vieh verbinden.
Söller.
Ich, Vieh? — Jawohl ein Vieh, von dem gehörnten Vieh!
Sophie.
Was seh ich?
Söller.
Was, Madam?
Sophie.
Des Vaters Wachsstock! Wie
Kam er hieher? Vielleicht — Da werd ich fliehen müssen;
Vielleicht belauscht er uns! —
Söller.
O setz ihr zu, Gewissen!
Sophie.
Nur das begreif ich nicht, wie er ihn hier verlor.
Söller.
Sie scheut den Vater nicht, mal ihr den Teufel vor!
Sophie.
Ach nein, das ganze Haus liegt schon in tiefem Schlafe.
Söller.
Die Lust ist mächtiger als alle Furcht der Strafe.
Sophie.
Mein Vater kann nicht wohl — Wer weiß, wie es geschah?
Es mag drum sein!
Söller.
O weh!
Sophie.
Alcest ist noch nicht da!
Söller.
O dürft ich sie —!
Sophie.
Mein Herz schwimmt noch in seltnem Zweifel:
Ich hoff und fürcht ihn doch.
Söller.
Ich fürcht ihn wie den Teufel!
Und mehr noch. Käm er nur, der Prinz der Unterwelt,
Ich bät ihn: hol mir sie! da hast du all das Geld!
Sophie.
Du bist zu zärtlich, Herz! Was ist denn dein Verbrechen?
Versprachst du, treu zu sein? und konntest du versprechen,
Dem Menschen treu zu sein, an dem kein gutes Haar,
Der unverständig, grob, falsch? —
Söller.
Das bin ich!
Sophie.
Fürwahr,
Wenn so ein Scheusal nicht den Abscheu gnug entschuldigt,