Rod lächelte grimmig. „Nun, ich glaube, wir haben sie jetzt entdeckt. Wie vereinbart sich das mit deinen Dioden?“ „Ganz gut, Rod. Tatsächlich ergibt eine statistische Analyse der Wahrscheinlichkeit, daß dies die Kolonie der Emigranten sein könnte, folgendes…“
„Nicht jetzt“, unterbrach ihn Rod hastig. Statistiken waren Gekabs Steckenpferd. Wenn man leichtsinnig genug war, ihm auch nur die geringste Chance zu geben, konnte er einen damit viele Stunden langweilen.
Rod spitzte die Lippen und beäugte den Teil der Hülle, der Gekabs Gehirn behauste. „Wenn ich es mir recht überlege, wäre es vielleicht gar nicht schlecht, wenn du diese Statistik an DUFT übermitteln würdest und hinzufügst, daß wir annehmen, hier die Kolonie der Emigranten gefunden zu haben. Das machst du am besten gleich. Ich möchte gern, daß sie wissen, wo wir sind, falls irgend etwas passieren sollte.“ Die Dachorganisation zur Umwandlung fremdweltlichen Totalitarismus, also DUFT, war für die Suche nach verlorenen Kolonien zuständig. Der Proletarische Eklektische Staat von Terra (PEST) hatte bemerkenswert wenig Interesse an Kolonien ohne moderne Technologie gezeigt, so daß die verlorenen Kolonien auch verloren geblieben waren, bis die totalitäre Herrschaft von PEST durch DDT, das Dezentralisierte Demokratische Tribunal gestürzt wurde. DDT hatte schnell seine Herrschaft über Terra konsolidiert und regierte in Übereinstimmung mit den nahezu unerreichbaren Idealen athenischer Demokratie.
Es war altbekannt, daß die Unwirksamkeit demokratischer Regierungen hauptsächlich dem Problem der Kommunikation und der Vorurteile zuzuschreiben war. Doch über eine Zeitspanne von zwei Jahrhunderten hatten DDT-Zellen Kneipen zu Schulräumen umfunktioniert, was zur Hochschulreife von zweiundsiebzig Prozent der Bevölkerung führte. Vorurteile wurden zur heilbaren Krankheit, genau wie
Kinderlähmung und Krebs. Das Problem der Kommunikation wurde durch die Entwicklung submolekularer Elektronik in DDT-Labors gelöst, was die Größe und den Preis elektronischer Kommunikationsmittel so sehr verringerte, daß ihre allgemeine Verwendung zum erstenmal tatsächlich verwirklicht werden konnte. Das ermöglichte jedem in Sekundenschnelle, persönlichen Protest bei seinem Tribunal einzulegen. Da nun so gut wie alle hochgebildet waren, neigten sie dazu, allein schon aus Prinzip zu protestieren und lautstark ihre Meinung kundzutun — was für eine Demokratie ungemein gesund ist.
Proteste, besonders über Radio, hatten sich als äußerst wirkungsvoll erwiesen, hauptsächlich aufgrund der automatischen Aufnahmen der Protestkundgebungen. Die Probleme der Tonbandspeicherung und des bürokratischen Aufwands waren durch rotoxyd-beschichtete Tonbänder mit einfacher Molekülarbeit gelöst worden. Und die Entwicklung des Datenabrufsystems war so weit fortgeschritten, daß das Auswendiglernen von Daten nicht mehr erforderlich war. Dadurch wurde die Ausbildung lediglich zu einer Einführung in Konzepte, und der Erfolg der Demokratie war gesichert. Nach zwei Jahrhunderten solcher Basisarbeit wurde die DDT-Revolution zur reinen Formalität.
Aber Revolutionäre sind immer im Weg, wenn eine Revolution vorüber ist, und erweisen sich möglicherweise als störendes Element für die Ordnungskräfte der neuen Regierung. Deshalb hatte das DDT beschlossen, uneigennützig zu sein und den Segen der Demokratie mit den anderen Überbleibseln der alten Galaktischen Union zu teilen.
Doch auf Planeten mit totalitären Regierungen sind Demokraten selten willkommen und werden auch auf Planeten, wo die Anarchie herrscht, nicht mit offenen Armen empfangen — das liegt am Wesen der Demokratie, dem einzigen praktikablen Kompromiß zwischen Totalitarismus und Anarchie.
Vonnöten war eine dauerhafte Organisation von Revolutionären — subversive, republikanische Demokraten. Da es eine große Zahl von arbeitslosen Revolutionären gab, wurde diese Organisation schnell gegründet und Dachorganisation zur Umwandlung von fremdweltlichem Totalitarismus (DUFT) getauft. Aber nachdem alle bekannten besiedelten Planeten bekehrt waren und sich dem DDT angeschlossen hatten, wurden die alten Revolutionäre wieder zum Problem, um so mehr, als ihre Zahl gestiegen war. Daher schickte man sie einzig und allein zu dem Zweck aus, verlorene Kolonien zu suchen. Die Mission von DUFT war also, die hinterwäldlerischen Planeten aufzuschnüffeln und sie auf den Weg der Demokratie zu führen.
Da Rod einen Planeten von mittelalterlichem Charakter gefunden hatte, würde er für die Entwicklung einer konstitutionellen Monarchie Sorge tragen müssen. Rod, geborener Rodney d'Armand (er hatte auch noch fünf Mittelnamen, aber sie aufzuzählen würde nur langweilen), der auf einem hauptsächlich mit Aristokraten und Robotern bevölkerten Planeten aufgewachsen war, hatte sich DUFT im zarten Alter von achtzehn Jahren angeschlossen. Während seiner zehn Dienstjahre war aus einem schlaksigen, häßlichen Bürschchen ein schlanker, muskulöser, häßlicher junger Mann geworden.
Sein Gesicht war von aristokratischem Schnitt, das zumindest mußte man ihm zugute halten, doch das war auch schon alles. Sein immer weiter zurückweichender Haaransatz machte einer schrägen Stirn Platz, die über buschigen Brauen endete. Die etwas hart wirkenden Augen lagen tief in den Höhlen. Flache Wangenknochen verhalfen der Nase, die einem Adler Ehre gemacht hätte, zu noch größerer Prominenz. Unter den Wangenknochen und der Nase weitete sich der schmale Mund selbst im Schlaf zu einem spöttischen Lächeln. Und unter den
Lippen machte sich der Unterkiefer breit, um dem sich ein wenig vorschiebenden Kinn noch mehr Ausdruck zu verleihen. Rod hätte es gern gehabt, wenn man sein Gesicht mit scharf, stark und fest bezeichnet hätte, aber es wurde unwillkürlich weich, und sanft, wenn ein Mädchen ihn anlächelte. Hunde und Kinder riefen die gleiche Wirkung hervor, nur viel häufiger. Er war ein Mann mit einem Traum — dem Traum einer vereinigten galaktischen Regierung (einer demokratischen, selbstredend!). Interstellare Kommunikation war immer noch zu langsam für eine echte demokratische Föderation; das DDT war im Grund genommen eine lose Konföderation von Welten, eine debattierende Gesellschaft und Unterstützungsorganisation.
Doch ausreichende Kommunikationsmethoden würde es gewiß in geraumer Zeit geben, dessen war Rod sicher, und wenn es soweit war, waren die Sterne auch bereit, dafür würde er schon sorgen.
„Also, machen wir uns an die Arbeit, Gekab. Wer weiß, wann hier jemand zufällig vorbeispaziert und uns entdeckt.“ Rod schwang sich hoch und durch die Luftschleuse in die Kabine. Er trat an die Platte in der Wand und löste die Arretierung. Dahinter befand sich eine Armaturentafel und darüber eine weiße Metallkugel mit stumpfem Überzug, etwa von der Größe eines Korbballs. Von oben aus dem Ball ragte ein Kabel, das mit der Wand verbunden war.
Rod schraubte die Verbindung auf und löste die Klammer, die die Kugel hielt, und hob den Ball behutsam heraus. „Vorsichtig!“ klang Gekabs Stimme aus dem Hörer, der hinter Rods rechtem Ohr in den Knochen implantiert war. „Ich bin zerbrechlich, vergessen Sie das nicht.“
„Du hast überhaupt kein Vertrauen zu mir“, beschwerte sich Rod. Das Mikrophon in seinem Unterkiefer leitete die Worte an Gekab weiter. „Habe ich dich vielleicht schon einmal fallen
lassen?“
„Bis jetzt noch nicht“, brummte der Roboter.
Rod klemmte Gekabs „Gehirn“ vorsichtig in die Armbeuge, um den anderen Arm frei zu haben, damit er mit der Luftschleuse zurechtkommen konnte. Draußen angelangt, drückte er einen Knopf an der Schiffshülle. Eine ziemlich große Tür schwang aus der Seite des Pseudoasteroiden auf. Im Innern hing ein mächtiger Rappe im Schutznetz, mit dem Kopf zwischen den Vorderbeinen. Seine Augen waren geschlossen.
Wieder drückte Rod auf einen Knopf. Ein Kran schob sich aus dem Frachtraum. Das Pferd wurde von dem Kran herausgehoben und vorsichtig herabgelassen, bis die Hufe den Boden berührten. Rod drehte den Sattelknauf, woraufhin eine Flanke des Rappen auf glitt.