„Dann müssen wir ein Gespräch mit ihr eben mit Gewalt erzwingen!“

„Welchen Sinn hätte es? Ihre Edlen würden nicht zulassen, daß sie uns gewährt, was wir verlangen.“

Adam hieb die Faust auf den Tisch. „Aber wir haben ein Recht auf Freiheit, ohne zu Dieben und Bettlern werden zu müssen!

Die Schuldnerkerker darf es nicht länger geben, und die Steuernebenfalls.“

„Ja, und auch dem Ohrabschneiden muß ein Ende gesetzt werden. Es ist eine zu harte Strafe für den Diebstahl eines Brotlaibs.“ Er rieb finster seine ohrlose Kopfseite. „Aber immerhin bemüht sie sich bereits, etwas für uns zu tun…“

„Ja, sie hat ihre eigenen Richter eingesetzt. Die hohen Lords werden nicht mehr nach eigenem Ermessen Strafen verhängen dürfen.“

„Aber du weißt genau, daß die Edlen es sich nicht gefallen lassen und die Richter bald wieder absetzen werden“, sagte Einohr grimmig und fuhr mit dem Finger die nassen Krugabdrücke auf der Tischplatte nach. „Das ist es ja eben, daß die Edlen gegen alle Verbesserungen der Königin sind!“ Adam stieß heftig die Messerklinge in den Tisch. „Sieht Loguire das denn nicht ein?“

„Sag nichts gegen Loguire!“ Einohrs Gesicht verdunkelte sich.

„Ohne ihn wären wir immer noch armseliges Lumpenpack, ohne ein gemeinsames Ziel! Nein, sag nichts gegen ihn, denn ohne ihn hätten wir nicht den Mut, hier in diesem Gasthof zu sitzen, wo die Soldaten der Königin ebenfalls Gäste sind.“

„Ja, ja, er vereinigte uns und machte Männer aus uns Dieben.

Doch jetzt zügelt er unseren neuen Mannesmut und versucht uns davon abzuhalten, für das zu kämpfen, das rechtmäßig unser ist.“

Einohrs Mundwinkel senkten sich. „Du hast zuviel auf das eitle und neidvolle Gewäsch des Spötters gehört, Adam!“

„Aber wir müssen kämpfen!“ rief Adam und ballte die Fäuste.

„Ohne Blutvergießen kommen wir nicht zu unserem Recht…“

Etwas Gewaltiges schlug gegen Rod und warf ihn zurück an den Tisch. Eine Mischung aus Schweiß, Zwiebel und billigem Wein drang in seine Nase. Rod stützte einen Arm auf und schob mit der Schulter. Die schwere Gestalt zog die Luft ein und taumelte flüchtig rückwärts. Rod zog seinen Dolch heraus und schaltete den Siegelring aus.

Der Betrunkene beugte sich zu ihm herab und sah drei Meter groß aus und breit wie ein Eisenbahnwaggon.

„Heh!“ knurrte er. „Warum paßt du nicht auf, wohin ich gehe?“

Rods Dolch drehte sich. Gefährlich sanft sagte er: „Stör lieber du einen ehrlichen Mann bei seinem Krug Bier nicht!“

„Ehrlicher Mann, hah!“ höhnte der gigantische Bauer. „Ein Söldner, der ehrlich sein will!“ Sein polterndes Lachen fand an den anderen Tischen ein Echo. Plötzlich wirkte der Bauer absolut nüchtern. „Leg dein Spielzeug zur Seite, dann werd' ich dir schon beweisen, daß ein ehrlicher Landmann es leicht mit einem Söldner aufnimmt.“

Rods Rücken kribbelte, als ihm bewußt wurde, daß das ein geplanter Kampf war. Der Wirt hatte sich sehr für seinen prallen Beutel interessiert. „Ich habe nichts gegen dich“, brummte er, aber sofort wurde ihm klar, daß das das Verkehrteste war, was er hatte sagen können.

Höhnisch trumpfte der Riese auf: „Er hat nichts gegen mich, sagt er. Erst wirft er sich einem armen, stolpernden Mann in den Weg und dann sagt er, er hat nichts gegen den großen Tom.“ Er packte Rod am Kragen seines Wamses und hob ihn auf die Füße. „Ich werd' dir noch was beibringen!“

Rods Rechte schoß vor und ein Handkantenschlag traf den Ellbogen. Der Riese löste wie betäubt seinen Griff und starrte auf seine Hand, als hätte sie ihn bitter enttäuscht. Rod preßte die Lippen zusammen und steckte den Dolch in seine Scheide zurück. Er beugte die Knie und rieb die rechte Faust in der Handfläche der Linken. Der Bauer war gigantisch, aber vermutlich hatte er keine Ahnung vom Boxen Inzwischen kehrte Leben in Toms Hand zurück, und damit der Schmerz. Wütend brüllte der Riese auf, ballte die Faust und holte in weitem Bogen aus. Rod duckte sich darunter und als die Faust, deren Hieb einen Ochsen erledigt hätte, an ihm vorbeisauste, griff er hinter Toms Schulter hoch und stieß zu, um dem Schwung noch mehr Wucht zu geben. Der große Tom wirbelte herum. Rod packte das Gelenk der rechten Hand des anderen und verdrehte es hinter dem Rücken des Riesen und drückte sie immer höher. Tom heulte auf. Und während er heulte, schlang Rod den Arm unter Toms Achsel zu einem Halbnelson zum Nacken hoch.

Nicht schlecht, dachte Rod, bis jetzt war Boxen nicht nötig gewesen. Er drückte ein Knie in Toms Hintern und löste die Arme. Der Riese schoß vorwärts, geradewegs auf den Herd zu. Er versuchte, sein Gleichgewicht zurückzugewinnen, schaffte es jedoch nicht. Tische und Bänke kippten und schlugen polternd auf, als die Gäste hastig zurückwichen, um dem Herd nicht selbst zu nahe zu kommen.

Tom landete auf den Knien und schüttelte verwirrt den Kopf. Als er wieder klar sehen konnte, entdeckte er Rod, der ihm mit grimmigem Lächeln, halb geduckt in Ringerhaltung, mit beiden Händen zuwinkte.

Der Riese knurrte tief in der Kehle und stemmte einen Fuß gegen die Herdsteine. Dann stürmte er wie ein Stier mit vorgeschobenem Schädel auf Rod zu. Rod wich seitwärts aus und stieß ein Bein vor. Der große Tom stürzte mit fuchtelnden Armen geradewegs auf die erste Tischreihe. Rod preßte die

Lider zusammen und die Zähne gegeneinander. Er hörte einen Krach wie viermal gleichzeitig alle Neune in der Kegelbahn.

Widerstrebend öffnete er die Augen und zwang sich ihm nachzusehen.

Toms Schädel tauchte mit weiten Augen und hängendem Kinn aus einem hölzernen Trümmerhaufen auf.

Rod schüttelte bedauernd den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Das war eine schlimme Nacht für dich, Tom, warum gehst du nicht heim und legst dich ins Bett?“

Der Riese klaubte seine Knochen zusammen, und als er sich vergewissert hatte, daß er noch in einem Stück war, stemmte er die Fäuste auf die Hüften und schaute Rod an. „Ihr kämpft aber gar nicht wie ein ehrlicher Gentleman!“ beschwerte er sich.

„Ich bin ja auch keiner“, brummte Rod. „Was hältst du von einer zweiten Runde, Tom? Alles oder nichts?“

Tom schaute an sich herunter, als zweifle er, daß sein Körper noch viel mehr aushalten würde. Dann schob er die Überreste eines Eichentischs zur Seite, hieb eine Faust auf seine Armmuskeln und nickte.

„Also gut, kommt schon, kleiner Mann.“ Er trat auf den jetzt völlig geräumten Platz vor dem Herd und schaute Rod finster und vorsichtig entgegen.

„Unser guter Wirt sagte dir, daß ich Silber im Beutel habe, nicht wahr?“ fragte Tom mit funkelnden Augen.

Der große Tom schwieg.

„Und er behauptet auch, ich sei ein leichter Gegner, richtig?

Nun, er täuschte sich in beiden Punkten.“

Toms Augen quollen vor. „Was? Kein Silber?“

Rod nickte. „Aha! Habe ich es mir doch gedacht!“ Sein Blick fiel auf den Wirt, der fahl und zitternd bei einem Stützbalken stand. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, daß Tom mit dem rechten Fuß nach seinem Zwerchfell ausholte. Er machte einen Schritt zurück und schwang beide Hände hoch, um nach Toms Ferse zu greifen und dem Fuß zu größerer Höhe zu verhelfen.

Toms Fuß beschrieb einen sauberen Bogen. Einen Augenblick hing er in der Luft, dann stürzte er mit fuchtelnden Armen heulend auf den Boden. Es schmerzte Rod zutiefst, sehen zu müssen, wie Tom nach Luft rang. Er trat näher, packte den Riesen vorn am Kittel, stemmte seinen Fuß gegen ihn, warf sein Gewicht zurück und zog den Burschen so auf die Füße. Tom sackte nach vorn. Rod schob eine Schulter unter Toms Achselhöhle und richtete den mächtigen Kerl wieder auf. „He, Wirt!“ brüllte er. „Branntwein, aber schnell!“ Als der große Tom sich wieder einigermaßen erholt hatte und den Spott seiner Saufbrüder über sich ergehen lassen mußte; die Gäste die Trümmer beiseitegeräumt und sich wieder niedergesetzt hatten; und Rod immer noch keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Wirt anstrebte, leuchtete plötzlich Hoffnung in den Augen dieses guten Mannes auf. Mit vorgeschobenem Kinn und gesenkten Mundwinkeln stellte er sich vor Rodney. Er schluckte und sagte schließlich: „Wenn Eure Lordschaft gestatten, die kleine Sache mit den gebrochenen Bänken und Tischen steht noch offen…“ „Bänke“, murmelte Rod, ohne sich zu rühren. „Tische!“ Abrupt sprang er auf die Füße und legte eine Hand um den Hals des Wirtes. „Du, du schleimiger kleiner Karmacker!“ brüllte er. „Du hast mir diesen Ochsen auf den Hals gehetzt, hast versucht, mich zu berauben, und jetzt erlaubst du dir auch noch die Unverschämtheit, Geld zu verlangen!“ Jeden Punkt betonte er, indem er den Wirt schüttelte und ihn immer näher zu dem Stützstamm drückte, in den der Mann sich vergebens zu verkriechen suchte.


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