»Ich brauche lediglich jemanden, der nach Grönland rüberfliegt und dort etwas abholt«, erklärte ihm Overholt. »Das dauert ein oder zwei Tage.«

»Da hast du ja genau die beste Zeit erwischt«, stellte Cabrillo fest. »Es ist eisig kalt, und um diese Jahreszeit bleibt es dort vierundzwanzig Stunden lang dunkel.«

»Wie ich hörte, soll das Nordlicht um diese Zeit besonders eindrucksvoll sein«, versuchte ihm Overholt die Sache schmackhaft zu machen.

»Warum lässt du die Angelegenheit nicht von einem deiner CIA-Heinis erledigen?«

»Wie üblich steht niemand zur Verfügung. Da bezahle ich lieber deinen Verein und bringe die Geschichte mit einem Minimum an Aufsehen über die Bühne.«

»Wir haben hier immer noch für ein paar Tage zu tun«, sagte Cabrillo, »ehe wir wieder frei sind.«

»Juan«, sagte Overholt locker, »so wie ich es sehe, ist es ein Einmannjob. Wenn du einen deiner Männer rüberschicken und abholen lassen könntest, was wir brauchen, würde er wahrscheinlich noch vor Ende der Gipfelkonferenz wieder zurück sein.«

Cabrillo ließ sich das kurz durch den Kopf gehen. Der Rest seines Teams sorgte für die Sicherheit des Emirs. Während der letzten zwei Tage hatte Cabrillo an Bord der Oregon herumgehangen und die Zeit mit Verwaltungsarbeit totgeschlagen. Er langweilte sich ohnehin und fühlte sich wie ein Rennpferd im Stall.

»Ich übernehme den Job«, entschied er also. »Meine Leute haben hier alles im Griff.«

»Wunderbar«, sagte Overholt.

»Ich brauche nur rüberzufliegen und etwas abzuholen, richtig?«

»So sieht es aus.«

»Und was ist es?«

»Ein Meteorit«, antwortete Overholt lauernd.

»Warum um alles in der Welt sollte die CIA auf einen Meteoriten scharf sein?«, fragte Cabrillo.

»Weil wir glauben, dass er vielleicht aus Iridium besteht und Iridium dazu verwendet werden kann, eine ›schmutzige Bombe‹ zu bauen.«

»Was sonst noch?«, fragte Cabrillo, nun um einiges wachsamer.

»Du musst ihn dem Archäologen, der ihn gefunden hat, stehlen«, sagte Overholt, »und zwar am besten, ohne dass er etwas bemerkt.«

Cabrillo wartete ein paar Sekunden mit seiner Erwiderung. Dann fragte er: »Hast du in letzter Zeit mal in deine Grube geschaut?«

»In welche Grube?« Overholt schluckte den Köder.

»Die Schlangengrube, in der du lebst«, sagte Cabrillo.

»Also übernimmst du den Job?«

»Schick mir die Einzelheiten«, sagte Cabrillo. »Ich breche in ein paar Stunden auf.«

»Keine Sorge — das wird das am leichtesten verdiente Geld, das die Corporation in diesem Jahr einnimmt. Wie ein Weihnachtsgeschenk von einem guten Freund.«

»Bewahre mich vor Freunden, die mit Geschenken unterm Arm anrücken«, sagte Cabrillo, ehe er das Gespräch beendete.

Eine Stunde später schloss Juan Cabrillo seine Vorbereitungen ab.

Kevin Nixon wischte sich die Hände an einem Putzlumpen ab, dann warf er den Lappen auf eine Werkbank im Zauberladen. Zauberladen nannte sich an Bord der Oregon die Abteilung, die sich mit der Herstellung von Fälschungen, der sicheren Unterbringung von Waffen, der Konstruktion von speziellen elektronischen Geräten, Tarnungen und Verkleidungen beschäftigte. Nixon fungierte als Werkstattboss und fantasievoller Erfinder.

»Ohne genaue Maßangaben«, stellte er fest, »ist dies das Beste, das ich zustande bringe.«

»Es sieht gut aus, Kevin«, sagte Cabrillo, nahm das Objekt und legte es in einen Karton, den er mit Klebeband verschloss.

»Nimm auch diese noch mit«, sagte Nixon und reichte Cabrillo einige Päckchen.

»Okay«, sagte Kevin Nixon dann, »du hast jetzt Kleidung für kalte Witterung, Telefon und Funkgerät, Notrationen und alles Mögliche außerdem, von dem ich meine, dass du es brauchen könntest. Viel Glück.«

»Danke«, sagte Cabrillo. »Jetzt muss ich nach oben an Deck und mit Max reden.«

Weniger als eine Stunde später, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Max Hanley, sein Stellvertreter, den Einsatz in Reykjavik perfekt unter Kontrolle hatte, ließ sich Juan Cabrillo von einem Taxi zum Flughafen bringen, um von dort aus zu seinem Flug nach Grönland zu starten. Was auf den ersten Blick wie eine einfache Angelegenheit aussah, sollte sich nach und nach als zunehmend kompliziert erweisen.

Und am Ende, wenn alles vorbei wäre, wäre eine ganze Nation einer ernsten Bedrohung ausgesetzt, und Menschen würden sterben.

6

Pieter Vanderwald war ein Händler des Todes. Als ehemaliger Chef des von der Apartheidregierung Südafrikas initiierten Experimental Weapons Program, kurz EWP, hatte er die grässlichsten Experimente durchführen lassen, wie zum Beispiel die chemische Sterilisation durch Nahrungsmittelzusätze, die Verbreitung von Seuchen und biologischer Kampfmittel, auf dem Luftweg in bewohnte Gegenden übertragen, sowie die Verbreitung chemischer Massenvernichtungsmittel in flüssiger Form.

Ob nuklear, chemisch, biologisch, akustisch oder elektrisch — wenn es zum Töten eingesetzt werden konnte, war Vanderwald mit seinem Team zur Stelle und baute es, kaufte es oder konstruierte es selbst. Ihre geheimen Versuche bewiesen, dass eine Kombination verschiedener Mittel bei sorgfältiger Planung eingesetzt werden konnte, um innerhalb von sechsunddreißig Stunden Tausende Angehörige der farbigen südafrikanischen Bevölkerung zu töten. Weitere Studien kamen zu dem Ergebnis, das letztlich innerhalb einer Woche 99 Prozent der ungeschützten Bevölkerung südlich des Wendekreises des Steinbocks oder die Hälfte der gesamten Spitze Afrikas dem Tod geweiht wäre.

Für seine Arbeit erhielt Vanderwald eine Auszeichnung und einen Bonus in Höhe eines doppelten Monatsgehalts.

Ohne Langstreckentransportsysteme wie ICBMs oder SCUD-Raketen und mit eher unbedeutenden Luftstreitkräften, derer sie sich hätten bedienen können, hatten Vanderwald und sein Team die Methoden perfektioniert, die tödlichen Substanzen mit der Bevölkerung in Kontakt zu bringen und sie danach von den Opfern selbst verbreiten zu lassen. Am Ende lief es darauf hinaus, die Trinkwasservorräte zu vergiften, die Seuchen vom Wind verbreiten zu lassen oder mit Hilfe von Spezialpanzern oder Artilleriebeschuss eine größtmögliche Streuung zu erreichen.

Das EWP hatte sich auf diesem Sektor als meisterlich und richtungweisend erwiesen, doch sobald die Apartheidpolitik offiziell als beendet betrachtet werden konnte, war das Programm schnellstens und geheim abgeschafft und aufgelöst worden, und Vanderwald und die anderen Wissenschaftler mussten selbst zusehen, wie sie ihr weiteres Dasein fristeten und womit sie in Zukunft ihren Lebensunterhalt verdienten.

Viele von ihnen steckten ihre Abfindungen ein und setzten sich zur Ruhe, doch einige wenige — wie Vanderwald — boten ihre besonderen Fertigkeiten und ihr Wissen auf dem freien Markt an, wo sich eine zunehmend gewaltbereitere Welt lebhaft für ihre einmaligen Talente interessierte. Länder im Mittleren Osten, in Asien und in Südamerika hatten seinen Rat und seine Erfahrung gesucht und davon profitieren können. Vanderwald kannte nur eine einzige Regel — er arbeitete niemals gratis.

»Das war wirklich toll«, stellte Vanderwald anerkennend fest.

Ein leichter Wind wehte vom Abschlag in Richtung Loch. Die Temperatur betrug gut zwanzig Grad Celsius. Die Luft war so trocken wie ein Sack Mehl und klar wie Glas.

»Der Wind hat geholfen«, wiegelte Halifax Hickman ab, während er zum Golfwagen zurückging, den Schläger in den Sack schob und sich dann auf den Fahrersitz schwang.

Auf dem Golfkurs waren weder Caddies zu sehen noch andere Golfspieler. Zugegen waren lediglich ein Trupp Sicherheitsmänner, die zwischen den Bäumen und Büschen herumschlichen, ein paar Enten auf dem See und ein magerer Fuchs, der ein paar Minuten zuvor über den Fairway getrottet war. Es war seltsam ruhig, und die Luft schien mit Reminiszenzen an dieses Jahr geschwängert, das mittlerweile fast zu Ende gegangen war.


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