»Langer Flug«, sagte er, streckte sich wie beiläufig und schaute sich um.
Sie erwiderte sein Lächeln und warf einen kurzen Blick auf das Formular. »Sie kommen mit dem Alitalia-Flug aus Rom?«
»Ja.«
»Anschlussflug?«
»Wie bitte?«
»War das ein Anschlussflug von einem anderen Flughafen?«
»O ja. Ich komme aus Tel Aviv.«
»Mit welcher Fluglinie?«
»El Al.«
Warum fragte sie ihn das alles? Damit hatte Ezra nicht gerechnet. Warum hatte sie plötzlich beschlossen, sich auf ihren Job zu konzentrieren? Die andere Beamtin, mit der sie vorhin herumgealbert hatte, war ebenfalls wieder konzentriert bei der Sache.
»Haben Sie irgendjemandem Zugang zu Ihrem Gepäck gewährt?«
»Außer den Mitarbeitern der Fluggesellschaften niemandem.«
»Hat jemand anders die Koffer für Sie gepackt?«
»Nein, das habe ich selbst getan.«
»Bitte stellen Sie sie auf den Tresen und öffnen Sie …«, sie zögerte einen Moment, als wollte sie abwarten, wo sein Blick unwillkürlich hinwanderte, »… diesen hier.«
Ezra hob den Koffer auf den Tresen und öffnete den Reißverschluss. Mein Gott, er hatte sich die Falsche rausgepickt – er wurde tatsächlich durchsucht! Bleib ruhig, ganz ruhig, redete er sich gut zu. Selbst wenn sie fand, was er dabei hatte, würde sie nichts damit anzufangen wissen.
Sie klappte den Deckel zurück und begann den Inhalt des Koffers durchzusehen. Schwarze Rollkragenpullover aus Baumwolle, khakifarbene Cargohosen, so wie er sie auch jetzt trug. Außerdem Socken, Unterwäsche sowie ein paar Bücher, die er nicht der Post anvertrauen wollte und sie deshalb eigenhändig mitschleppte. Seine anderen mehrere hundert Bücher hatte er eingeschifft.
Die Beamtin tippte auf den ledernen Kulturbeutel. »Bitte öffnen Sie den für mich.«
Er nahm den Beutel heraus, öffnete ihn und legte ihn für die Frau auf den Tresen. Sie wühlte in seiner Zahnpasta und Zahnseide, dem Rasierer und der Aspirinflasche herum, bis sie auf das Fata-Morgana-Körperpeeling stieß. »Benutzen Sie das?«, fragte sie.
»Ich habe manchmal draußen gearbeitet und bin dabei ziemlich schmutzig geworden«, sagte er. »Nichts hilft besser als dieses Zeug.«
Sie schraubte den Deckel auf, und er versuchte, nicht besorgt auszusehen. Aber er spürte sein Herz pochen, und seine Hände wurden feucht. Wisch sie nicht ab, sagte er sich. Lass sie einfach in Ruhe.
Das Glas war mit einer milchig-roten Paste gefüllt. Die Beamtin roch daran. »Puh!«, sagte sie und zuckte zurück. »Und dieses Zeug schmieren Sie sich ins Gesicht?«
»Ja. Wenn man sich damit einreibt, fühlt es sich großartig an.«
Sie schraubte das Glas wieder zu. »Ich bleibe lieber bei Noxzema.«
Sie legte das Glas zurück in den Kulturbeutel und deutete auf die Papprolle. »Was ist da drin?«
»Ein paar Graphiken auf Papyrus, Souvenirs, die ich am Flughafen in Israel gekauft habe.« Er kramte in seiner Tasche herum. »Ich habe sogar noch die Rechnung«, sagte er und förderte sie zutage. »Sie sind überhaupt nicht wertvoll.«
»Entfernen Sie bitte die Deckel von der Rolle.«
Ezra tat, worum sie ihn gebeten hatte, und sie hob den Zylinder wie ein Teleskop und drehte ihn, um hineinzusehen. Wie viel würde sie so erkennen können?
»Wer ist der Kerl mit dem Hundekopf?«
»Das ist wahrscheinlich Anubis, den Sie gerade sehen«, erklärte er. »Der Totengott. Genaugenommen ist es der Kopf eines Schakals.« Himmel, was dachte er sich bloß dabei, sie zu korrigieren?
Sie stopfte die Plastikdeckel dorthin zurück, wohin sie gehörten, und legte die Rolle neben den Koffer auf den Tresen. Seine Zollerklärung stempelte sie unten auf der Seite ab.
»Danke«, sagte sie. »Der Ausgang befindet sich diesen Korridor entlang und dann links.«
Ezra sammelte seine Koffer zusammen, stopfte sich die Rolle wieder unter den Arm und machte sich auf den Weg aus dem Zollbereich heraus. Er spürte, wie sein schwarzer Rollkragenpullover schweißnass an seinem Rücken klebte, aber er musste sich zusammenreißen, um keine Freudensprünge zu machen.
Sobald er die Ankunftshalle betreten hatte, entdeckte er seinen Onkel Maury in einer blauen Windjacke. Er hielt ein handbemaltes Schild mit dem Namen METZGER in die Höhe.
Ezra, beladen mit seinen Koffern, hob das Kinn, um ihn zu begrüßen, und Maury eilte herbei, um ihm zu helfen. Ezra stellte die Koffer ab, und sie umarmten sich. Dann trat Maury einen Schritt zurück und musterte ihn von oben bis unten. »Du hast abgenommen.«
»Du aber auch.« Das war eine Lüge. Sein Onkel sah nicht nur genauso schwer aus wie eh und je, sondern man sah ihm auch jedes seiner fünfundsechzig Jahre an, vielleicht sogar ein paar mehr. »Aber was soll das Schild? Dachtest du, ich würde dich nicht wiedererkennen?«
»Ich hatte Angst, dass ich dich vielleicht nicht erkenne.«
Maury wollte gerade den sperrigsten Koffer aufheben, doch Ezra hielt ihn zurück. »Hier«, sagte er und reichte ihm einen kleinen Bordkoffer, »du kannst den hier nehmen.«
Maury ging langsam und schwankte dabei von einer Seite zur anderen, als sie das Terminal verließen. Obwohl er nur ein Jahr mehr zählte als sein Bruder, Ezras Dad, sah er wesentlich älter aus. Das Leben war hart mit Maury umgesprungen, doch er war, wie er gerne sagte, auch hart zum Leben gewesen. Während sein Bruder Sam ihn in allem ausgestochen und mit dreißig bereits ein Vermögen gemacht hatte, hangelte Maury sich von Job zu Job, von Frau zu Frau, ohne sich jemals ernsthaft festlegen zu wollen. Schließlich endete er als Mädchen für alles für Sam und seine Familie und fungierte je nach Bedarf als Handwerker, Babysitter oder, wie heute Abend, Chauffeur.
Die schwarze Lincoln-Limousine stand auf dem ersten für VIPs reservierten Parkplatz. Was Ezra daran erinnerte, dass er wieder einmal die Einflusssphäre seines Vaters betrat. Maury hielt ihm die Fondtür auf.
»Soll ich nicht vorn bei dir sitzen?«, fragte Ezra.
»Komm schon, steig ein. Vorne habe ich zu viel von meinem Kram.«
Ezra wusste, dass es seinem Onkel so schon immer lieber gewesen war. Also stieg er hinten ein und wartete, während Maury sich auf den Fahrersitz setzte, seine Wettzeitschrift Daily Racing Form beiseiteschob und den Wagen aus dem Flughafenlabyrinth navigierte.
Auf dem Weg in die City erkundigte sich Ezra, wo sein Vater und seine Stiefmutter Kimberly den heutigen Abend verbrachten. Er hoffte, dass sie vielleicht in ihrem Haus in Palm Beach seien.
»Sie sind zu Hause. Das heißt, sie schmeißen eine Dinnerparty.«
Ezras Herz sank.
»Wer steht auf der Gästeliste?«
Maury wusste, dass das nicht gut ankommen würde. »Der Bürgermeister«, sagte er mit einem gewissen Widerwillen, »und ein Haufen weiterer großer Tiere.«
»Kannst du mich am Hintereingang rauslassen?«
Maury warf ihm im Rückspiegel einen kurzen Blick zu. Selbst nach all der Zeit hatte sich nicht viel verändert. »Du kannst es versuchen, aber sie erwarten, dass du dich blicken lässt.«
Vor so einer Heimkehr hatte Ezra sich immer gefürchtet, und das war auch der Grund, warum er es jahrelang vermieden hatte. Die letzten Worte, die er persönlich mit seinem Vater gewechselt hatte, waren ziemlich unverblümt gewesen. Und um die Sache noch schlimmer zu machen, kamen jetzt noch die merkwürdigen Umstände hinzu, unter denen er Israel verlassen musste. Er war sich nicht sicher, wie viel genau sein Vater von dem wusste, was dort vorgefallen war. Er selbst hatte niemandem die ganze Geschichte erzählt, aber sein Vater hatte überall seine Quellen, wie Ezra sein Leben lang immer wieder hatte erfahren müssen. Was Samuel Metzger noch nicht wusste, würde er in Kürze herausfinden.
Für den Rest der Fahrt hielten sie sich eher an neutrale Themen – die Mets, die Stadtpolitik, die Haushälterin Gertrude, die Köchin Trina. Als sie das Haus erreichten, lenkte Maury den Wagen in die kreisrunde Auffahrt und hielt an. »Du kannst dein Gepäck im Kofferraum lassen«, sagte er. »Ich schicke es dir mit dem Lastenaufzug nach oben.«