Es wird peinlich genau gearbeitet, damit nichts von dem kostbaren Naß verlorengeht.

Als mein Kanister gefül t ist, versuche ich, ihn die 200 Meter bis zur Hütte zu schleppen. Obwohl ich immer glaubte, robust zu sein, schaffe ich es nicht. Priscilla dagegen schwingt ihren Kanister mit zwei, drei Griffen auf den Kopf und marschiert ruhig und locker zur Hütte. Auf halber Strecke kommt sie mir wieder entgegen und bringt auch meinen Kanister nach Hause. Meine Finger schmerzen bereits. Das Ganze wiederholt sich ein paarmal, denn das hiesige Omo erweist sich als sehr schaumig. Die Handwäsche, dazu mit kaltem Wasser, bei schweizerischer Gründlichkeit, macht sich bald an meinen Fingerknöcheln bemerkbar. Nach geraumer Zeit sind sie völlig wundgescheuert, und das Omo-Wasser brennt. Die Fingernägel sind ruiniert. Als ich erschöpft mit schmerzendem Rücken aufhöre, erledigt Priscil a für mich den Rest.

Mittlerweile ist es später Mittag, und gegessen haben wir noch nichts. Was auch?

Im Haus haben wir keine Vorräte, denn sonst würden uns bald Käfer und Mäuse besuchen. Also kaufen wir täglich al es im Shop. Trotz der enormen Hitze machen wir uns auf den Weg. Dies bedeutet eine halbe Stunde Marsch, sofern Priscilla nicht mit jeder entgegenkommenden Person einen ausführlichen Schwatz hält.

Anscheinend ist es hier üblich, jeden mit „Jambo“ anzusprechen, um dann die halbe Familiengeschichte zu erzählen.

Endlich angekommen, kaufen wir Reis und Fleisch, Tomaten, Milch und sogar weiches Brot. Nun müssen wir den langen Weg zurückmarschieren, um anschließend zu kochen. Gegen Abend ist Lketinga immer noch nicht aufgetaucht.

Als ich Priscil a frage, ob sie weiß, wann er wiederkommt, lacht sie und meint: „No, I can't ask this a Massai-man!“

Erschöpft vom ungewohnten Arbeiten in der Hitze lege ich mich in das kühle Häuschen, während Priscil a gemächlich mit dem Kochen beginnt. Wahrscheinlich bin ich deshalb so schlapp, weil ich den ganzen Tag nichts gegessen habe.

Ich vermisse meinen Massai, ohne ihn ist diese Welt nur halb so interessant und lebenswert. Dann endlich, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, schlendert er elegant auf die Hütte zu, und das bekannte „Hel o, how are you?“

ertönt. Ich antworte etwas beleidigt: „Oh, not so good!“, worauf er sofort erschrocken fragt: „Why?“ Etwas beunruhigt über sein Gesicht beschließe ich, nichts über seine lange Abwesenheit verlauten zu lassen, da dies bei unseren mangelnden Englischkenntnissen nur zu Mißverständnissen führen würde.

So antworte ich auf den Bauch zeigend: „Stomach!“ Er strahlt mich an und meint:

„Maybe baby?“

Ich verneine lachend. Auf diese Idee wäre ich wirklich nicht gekommen, weil ich mit der Pille verhüte, was er nicht weiß und sicher gar nicht kennt.

Bürokratische Hürden

Wir suchen ein Hotel auf, in dem sich ein Massai mit seiner weißen Frau aufhalten soll. Ich kann mir das zwar nicht vorstellen, bin aber sehr gespannt, denn ich könnte diese Frau einiges fragen. Als wir die beiden treffen, bin ich enttäuscht. Dieser Massai sieht wie ein „gewöhnlicher“ Schwarzer aus, ohne Schmuck und Traditionskleidung, dafür in teurem Maßanzug und um einige Jahre älter als Lketinga. Auch die Frau ist schon Ende vierzig. Alle sprechen durcheinander, und Ursula, eine Deutsche, meint: „Was, du willst hierherkommen und mit diesem Massai leben?“ Ich bejahe und frage schüchtern, was dagegen spreche. „Weißt du“, sagt sie,

„mein Mann und ich leben bereits fünfzehn Jahre zusammen. Er ist Jurist, hat aber trotzdem viel Mühe mit der deutschen Mentalität. Jetzt schau mal Lketinga an, der war noch nie in einer Schule, er kann nicht schreiben und lesen und kaum Englisch sprechen. Von den Sitten und Bräuchen in Europa und besonders von der perfekten Schweiz hat er überhaupt keine Ahnung. Das ist doch von vornherein zum Scheitern verurteilt!“ Die Frauen hier hätten gar keine Rechte. Für sie käme ein Wohnen in Kenia überhaupt nicht in Frage, Ferien hingegen seien großartig. Ich sol e Lketinga sofort andere Kleidung besorgen, so könne ich doch nicht mit ihm herumlaufen.

Sie erzählt und erzählt, und mein Herz sinkt immer tiefer bei so vielen möglichen Problemen. Auch ihr Mann meint, es sei besser, wenn Lketinga mich in der Schweiz besuchen könnte. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstel en, und mein Gefühl spricht dagegen. Trotzdem akzeptieren wir die angebotene Hilfe und machen uns am nächsten Tag auf den Weg nach Mombasa, um einen Paß für Lketinga zu beantragen. Als ich meine Zweifel äußere, fragt Lketinga, ob ich einen Mann in der Schweiz habe, sonst könne ich ihn ja problemlos mitnehmen. Dabei hatte er zehn Minuten vorher gesagt, er wolle Kenia überhaupt nicht verlassen, da er nicht wisse, wo sich die Schweiz befinde und wie meine Familie sei.

Auf dem Weg zur Paßstelle überkommen mich Zweifel, die sich später als berechtigt erweisen. Die friedlichen Tage in Kenia sind von diesem Moment an vorbei, der Officestreß beginnt. Zu viert betreten wir das Büro und stehen sicher eine Stunde in der wartenden Schlange, bevor wir in das gewünschte Zimmer vorgelassen werden. Hinter einem großen Mahagoni-Schreibtisch sitzt ein Beamter, der sich mit den Anträgen befassen sol. Zwischen Ursulas Mann und ihm entsteht eine Diskussion, von der Lketinga und ich gar nichts verstehen. Ich merke nur, wie sie immer wieder zu Lketinga in seiner exotischen Aufmachung herüberschauen.

Nach fünf Minuten heißt es „Let's go!“,

und wir verlassen verwirrt das Büro. Für fünf Minuten eine Stunde zu warten, empört mich.

Doch das ist erst der Anfang. Ursulas Mann meint, es müsse noch einiges geregelt werden. Auf keinen Fall könne Lketinga sofort mit mir fliegen, vielleicht, wenn al es klappt, in etwa einem Monat. Zuerst müßten wir Fotos machen, dann wiederkommen und Formulare ausfüllen, die al erdings momentan vergriffen und in etwa fünf Tagen wieder erhältlich seien. „Was, in einer so großen Stadt gibt es keine Paßantragsformulare“, entrüste ich mich und kann es kaum fassen. Als wir nach langer Suche endlich einen Fotografen finden, müssen wir mehrere Tage warten, bis wir die Fotos abholen können. Erschöpft von der Hitze und der ewigen Warterei, beschließen wir, zur Küste zurückzukehren. Die beiden anderen verschwinden im luxuriösen Hotel und meinen, jetzt wüßten wir ja, wo sich das Office befinde, und wenn es Probleme gäbe, seien sie hier anzutreffen.

Weil uns die Zeit davonläuft, gehen wir schon nach drei Tagen mit den Fotos ins Office. Wieder müssen wir warten, länger als das erste Mal. Je näher wir der Tür kommen, desto nervöser werde ich, weil sich Lketinga gar nicht wohl fühlt und mich Panik über mein geringes Englisch erfaßt. Endlich vor dem Officer, bringe ich mühsam unser Anliegen vor. Dieser schaut nach geraumer Zeit von seiner Zeitung auf und fragt, was ich denn mit so einem, dabei schaut er abschätzig auf Lketinga, in der Schweiz wolle. „Holidays“, erwidere ich. Der Officer lacht und meint, solange dieser Massai nicht zivilisiert angezogen sei, bekomme er gar keinen Paß. Da er keine Ausbildung und keine Ahnung von Europa habe, müsse ich eine Kaution in Höhe von 1000 Schweizer Franken hinterlegen und gleichzeitig ein gültiges Flugticket mit Hin- und Rückflug besorgen. Erst wenn ich dies erledigt hätte, könne er mir das Antragsformular geben.

Jetzt frage ich, entnervt von der Arroganz dieses Fettsacks, wie lange es noch dauere, wenn ich al es erledigt hätte. „Etwa zwei Wochen“, antwortet er, bedeutet uns mit der Hand, das Büro zu verlassen, und greift gelangweilt nach seiner Tageszeitung.

Soviel Unverschämtheit verschlägt mir die Sprache. Statt alles abzublasen, stachelt mich sein Verhalten erst richtig an, um ihm zu zeigen, wer hier gewinnen wird. Vor allem wil ich nicht, daß sich Lketinga minderwertig vorkommt. Außerdem möchte ich ihn bald meiner Mutter vorstellen können.


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