«Schon gut, Sir«, sagte Bolitho ruhig.»Ich bringe das Schiff hier wieder hinaus.»

Moresby schloß die Augen.»Weglaufen vor denen!«Er stöhnte schmerzlich auf.»Mein Leben lang bin ich nie.»

Bolitho hätte sich viel lieber um sein Schiff gekümmert, aber eine plötzliche Mitleidsregung hielt ihn neben Moresby fest.»Wir rennen nicht weg, Sir. Wir kommen wieder und nehmen die Batterie, Sie werden's schon sehen!»

Ein Geschützführermaat kam mit weit aufgerissenen Augen aufs Achterdeck gerannt.»Cap'n, Sir!«Er stand starr beim Anblick des hingestreckten Admirals und meldete dann etwas leiser:»Feuer aus, Sir!»

Moresby hatte Bolithos Worte anscheinend noch gehört.»Natürlich«, murmelte er,»Sie sind ja ein kornischer Dickkopf, Bolitho. Die konnte ich noch nie leiden. Zu verdammt widerspenstig, zu. zu. «Blut strömte ihm über Hals und Weste, und sein Haupt sank an Caswells Brust zurück — zum letzten Mal.

Bolitho stand auf.»Kommen wir frei?«Gossett starrte ihn nur an.»Nun?»

Der Master leckte sich die Lippen und nickte dann.»Da, sehen Sie, Sir!«Wieder glitt die Hafeneinfahrt am Schiff vorbei, diesmal achteraus. Vor ihnen lag die Märte, deren Rumpf noch immer brannte, deren Planken noch immer die Toten trugen. Ertrunkene Männer und Pferde trieben um den Bug der Hyperion; nur widerstrebend schienen sie. ihr Platz machen zu wollen.

Nur noch wenige Schüsse gaben dem Schiff das Geleit, denn der Pulverdampf und der Rauch des brennenden Flaggschiffes bildeten einen sehr wirkungsvollen Schirm. Oder vielleicht waren die französischen Kanoniere auch zu siegestrunken, um sich noch um die fliehende Hyperion zu kümmern. Sie hatten auch allen Grund dazu, dachte Bolitho bitter.

«Halsen, Mr. Gossett!«befahl er.»Gehen Sie auf Ostkurs, sobald wir klar von der Einfahrt sind!«Und zu allen, die noch auf dem

Achterdeck standen, sagte er ausdruckslos:»Ich habe dem Admiral versprochen, daß wir wiederkommen.»

Dann erblickte er die unbeschädigte Princesa, die immer noch weit draußen lag, unerreichbar für die Festungsgeschütze.»Signal an Princesa.«Seine Stimme klang ihm selbst völlig fremd.»Kommandant unverzüglich zu mir an Bord!«Stumm blickte er sich um: das blutverschmierte Deck, die Verwundeten, die sich verzweifelt dagegen wehrten, unter Deck gebracht zu werden, wo das Messer des Schiffsarztes auf sie wartete, die zerfetzte Planke, deren Splitter Moresby getötet hatte, und der tote Admiral selbst.»Und wenn der spanische Kapitän sich weigert, dem Befehl nachzukommen, eröffne ich das Feuer auf die Princesa!»

Gossett warf einen scheuen Blick auf Bolithos Gesicht und wandte sich ab. Er wußte, daß Bolitho im Ernst gesprochen hatte. Eigentlich hätte der Kommandant erleichtert sein müssen, dachte Gossett, aber er sah gar nicht danach aus, obwohl er sein Schiff gerettet hatte und Moresbys Verblendung ehrenvoll entgegengetreten war. Aber in Bolithos Augen glomm eine solche Wut, wie sie Gossett in seiner ganzen Dienstzeit noch nicht gesehen hatte: es war der Blick eines gereizten Raubtiers. Tief innen fühlte der Master, daß Bolitho diesen Blick behalten würde, bis die Hyperion im Hafen von Cozar ankerte und die Küstenbatterie unschädlich gemacht war.

Ein paar Matrosen schrien Hurra, und Bolitho sagte knapp:»Geschütze festzurren, Mr. Quarme. Danach melden Sie mir alle Verluste und Schäden! Zum Hurraschreien ist vielleicht später Zeit, jetzt haben wir anderes zu tun. «Er starrte nach achtern in die driftende Rauchwand, die das Schiff wie ein Vorhang verdeckte.

Quarme wischte sich das schweißnasse Gesicht mit dem Ärmel.»Schließen wir uns dem Geschwader wieder an, Sir?«Er zuckte zusammen, als Bolitho das mit einem kalten Blick beantwortete, und fuhr eilig fort:»Ich meine nur, Sir, beide Admirale sind tot, und.»

Bolitho wandte sich ab.»Dann müssen wir eben sehen, wie wir allein zurechtkommen, nicht wahr, Mr. Quarme?»

IV Ein Angriffsplan

Lieutenant Ernest Quarme trat in die Kapitänskajüte, den Hut vorschriftsmäßig unter dem linken Arm, und kniff die Augen zusammen, weil ihn das helle Sonnenlicht blendete, das durch die hohen Heckfenster fiel und Wände und Mobiliar in einem seltsam grünlichen Schein erglänzen ließ.»Sie haben befohlen, Sir?»

Bolitho lehnte am Fenster und starrte ins Kielwasser der Hyperion, das träge und blasenwerfend von dem algenbewachsenen Ruder ablief. Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Augen an das Halbdunkel der Kajüte zu gewöhnen; dann setzte er sich auf die Fensterbank und winkte Quarme auf den Stuhl daneben. Er merkte, daß der Erste ihn gespannt ansah, obwohl seine Gesichtszüge nichts von dem verrieten, was er denken mochte — Bolitho konnte nur hoffen, daß seine eigene Miene ebenso undurchdringlich war.

Knarrend und flüsternd dümpelte das Schiff langsam auf Südostkurs. Die Segel waren kaum gefüllt, boten aber den Männern, die an Deck arbeiteten, immerhin Schutz vor der Sonne. Gedämpft waren die Hammerschläge und das Knirschen der Sägen zu hören, denn Cuppage, der Schiffszimmermann, reparierte mit seinen Maaten die Schäden und Narben, die der kurze heftige Kampf hinterlassen hatte.

Bolitho rieb sich die Augen und versuchte, die Müdigkeit zu vertreiben. Wenn nur auch die anderen Narben so leicht zu beseitigen gewesen wären. Aber Wut, Erleichterung über das glückliche Entkommen, dazu die Erregung des Kampfes waren bald in dumpfen Trübsinn umgeschlagen, der wie eine Gewitterwolke über dem ganzen Schiff hing. Das kurze, einseitige Gefecht lag jetzt zwei Tage zurück: zwei Tage eintönigen Aufkreuzens und Patrouillierens, wobei sie ständig die Insel und ihre Flagge als höhnische Erinnerung an ihren Mißerfolg vor Augen hatten.

Wieder und wieder hatte sich Bolitho den Kopf nach einem Plan zermartert; aber jeder Plan erschien ihm immer fragwürdiger und gefährlicher, je mehr Zeit verstrich.

Doch an diesem Morgen war die Entscheidung gefallen. Als es dämmerte, lag die Hyperion etwa sieben Meilen westlich der Insel. Dieses Gebiet hatte sich Bolitho ausgesucht, weil er es für die geeignete Basis zu einem raschen Vorstoß auf den geschützten Hafen hielt und er den vorherrschend ablandigen Wind ausnutzen konnte. Er hatte die Princesa, das spanische Vierundsechzig-Kanonen-Schiff, an die andere Seite der Insel beordert, wo sie die beste Möglichkeit hatte, die von den Franzosen gekaperte Schaluppe Fairfax abzufangen, wenn sie versuchen sollte, auf diesem Kurs zu entwischen.

Die Schaluppe war ein wichtiges Glied in seiner Gesamtplanung. Die französische Garnison hatte kein anderes Schiff zur Verfügung, um die Nachricht von Moresbys Angriff und dem patrouillierenden britischen Geschwader zum Festland zu melden, und wenn von dort nicht ein Versorgungsschiff kam, würde Cozar im Belagerungszustand bleiben. Bolitho hatte mit der Idee gespielt, die Fairfax mit einem Handstreich herauszuholen; aber davon war er sofort abgekommen. Insgeheim wußte er, daß diese Idee mehr Balsam für seinen verletzten Stolz als wirklich von Wert war. Moresbys Angriff war der Hyperion schon teuer genug zu stehen gekommen: acht Tote und sechzehn Verwundete. Und der Schaden für die Kampfmoral war überhaupt nicht zu messen.

Doch als das Morgenlicht stärker wurde, hatte der Ausguck gemeldet, daß von der Fairfax nichts mehr zu sehen sei. Das war der entscheidende Schlag. Irgendwie mußte sie in der Nacht entwischt sein; jetzt, als die Mittagssonne gnadenlos auf das ausgebleichte Deck niederbrannte, ankerte sie bestimmt schon in St. Clar und überbrachte die Sensationsmeldung von dem abgeschlagenen Angriff der Engländer. Die Küstenverteidigung würde alarmiert werden und, was noch schlimmer war, die Franzosen würden erfahren, wie stark das abgeschlagene britische Geschwader war. Höchstwahrscheinlich warteten in den Buchten und Häfen dieses französischen Küstenstrichs mehrere Linienschiffe schon auf die Chance, die Schmach der Hoodschen Blockade zu rächen. Es war bekannt, daß mehrere solcher Schiffe durch die britischen Sperren geschlüpft waren, und vermutlich befand sich bereits Verstärkung für sie in unmittelbarer Nähe.


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