Hyperion' >Bitten Kommandanten baldmöglichst an Bord! <»

«Bestätigen!«bellte Bolitho.»Baldmöglichst «von einem Admi-ral bedeutete» sofort oder noch früher«.»Gig klar!«befahl Bolitho.

Während die sechs Schiffe näher kamen, drehte die Hyperion in den Wind. Donnernd protestierten die Segel, jedes einzelne Stag, alle Wanten vibrierten wie Cellosaiten.

Die Kommandantengig war bereits ausgeschwungen, und als Bo-litho seinen Degen aus den Händen des nervösen Gimlett entgegennahm, brüllte Allday:»Fier ab!«Als Bolitho an der Fallreepspforte stand, dümpelte das Boot schon längsseits, die weißen Riemen standen hoch wie zwei Reihen polierter Walrippen. Beinahe hätte er den richtigen Zeitpunkt verpaßt; aber als das Boot knirschend an der Bordwand scheuerte, sprang er und betete zu Gott, er möge richtig abgekommen sein.

Erleichtert atmete Allday aus.»Riemen bei! Zu. gleich!«Dann riß er die Pinne hart herum, und als Bolitho wieder zu Atem gekommen war, lag die Hyperion schon ein gutes Stück achteraus. Eben schwang sie noch einmal herum, um die richtige Position zum Flaggschiff einzunehmen, und als er sah, wie sich die Segel wieder füllten und die Bugwelle aufsprühte, konnte er einen Anflug von Stolz nicht unterdrücken. Er war erst knapp zwölf Tage an Bord, und doch konnte er sich kaum noch an die Zeit davor erinnern.

Nach einer weiteren beschwerlichen Kletterei zur Fallreepspforte des Flaggschiffs empor wurde Bolitho von dessen Kommandanten empfangen und nach kurzer formeller Begrüßung sofort in die große Heckkajüte geleitet. War Bolithos Quartier auf der Hyperion schon sehr geräumig, so logierte der Admiral in jeder Hinsicht noch großartiger.

Hood saß auf der Bank unter den Heckfenstern und hatte zu seiner Bequemlichkeit ein Bein auf einen Stuhl gelegt. Wie ein Schattenriß hob sich sein massiges Haupt ab, als er auf die Schiffe hinausstarrte, die langsam im Kielwasser der Victory folgten. Er stand nicht erst auf, sondern bedeutete Bolitho durch eine Handbewegung, sich auf den Stuhl neben den Schreibtisch zu setzen.»Freut mich sehr, daß Sie hier sind, Bolitho. Sie scheinen ganz gut über die Jahre gekommen zu sein.»

Vorsichtig nahm Bolitho Platz und studierte seinen Vorgesetzten mit Interesse und Bewunderung. Er wußte, daß Hood auf die Siebzig zuging; aber außer einem gewissen Ansatz zum Doppelkinn und einer etwas verlangsamten Sprechweise schien er sich in den elf Jahren seit ihrem letzten Zusammentreffen nicht viel verändert zu haben. Die buschigen Brauen und die große Adlernase dräuten noch wie damals. Und die Augen, die ihn jetzt aufmerksam und abschätzend über den Tisch hinweg musterten, glänzten klar wie bei einem jungen Mann.

Unvermittelt fragte der Admiral:»Wie gefällt Ihnen das Schiff, he? Gut genug für Sie?»

«Ich bin recht zufrieden, Sir. «Bolitho wußte, daß Lord Hood kaum Zeit mit unnötiger Konversation verschwendete, und daher wunderte ihn diese Frage. Vielleicht spürte Hood seine Jahre doch etwas. Wäre nicht Krieg gewesen, hätte er sich jetzt eines ruhigen Lebensabends erfreut, weit weg von den Sorgen eines Flottenkommandeurs.

Ohne Pause sprach Hood weiter:»Ich weiß über Sie Bescheid. Was Sie damals bei den Saintes gemacht haben, war großartig. «Er seufzte.»Ich wünschte, ich hätte die Barfleur, mein altes Flaggschiff, aber sie steht unter Lord Howe bei der Kanalflotte. «Er stemmte sich hoch und schritt schwerfällig durch die Kajüte.»Sie haben die Geheimdienstberichte gelesen, nehme ich an«, sagte er über die Schulter. Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er weiter. Er konnte voraussetzen, daß sich jeder Kommandant, der zu seiner Flotte stieß, vorher mit allen verfügbaren Informationen versorgt hatte — wenn er Kommandant bleiben wollte.»Dort drüben in Tou-lon liegen zwanzig französische Linienschiffe. Ich werde dafür sorgen, daß sie so lange nicht herauskommen, bis ich mich entschlossen habe, was als nächstes zu tun ist.»

Bolitho verarbeitete diese Information. Das britische Geschwader, das ständig vor der französischen Küste patrouillierte, wurde immer größer; daher wären die Franzosen verrückt gewesen, wenn sie ihre Schiffe in Toulon bei Ein- oder Auslaufversuchen exponiert hätten.

Und für Marseille galt das gleiche. Scharf sprach Hood weiter:»In einer Woche etwa habe ich einundzwanzig Schiffe unter meiner Flagge, und dann werde ich wissen, was ich tue. Comte Trogoff befehligt die französischen Schiffe in Toulon, und unsere Agenten dort haben bereits gemeldet, daß er zu Verhandlungen neigt. Wie viele in Toulon ist er königstreu gesinnt. Aber seine Lage wird gefährlich. Wenn er nicht der Unterstützung durch seine Landsleute absolut sicher sein kann, wird er uns nie gestatten, Soldaten zu landen und den Hafen zu besetzen.»

Nachdenklich erwiderte Bolitho:»Meiner Meinung nach hat er nicht mehr viel Zeit, sich zu entscheiden, Sir.»

Lord Hood zog eine Grimasse, die bei ihm ein Lächeln bedeutete.»Bei Gott, da haben Sie recht! Es liegen Berichte vor, daß der französische General Carteau bereits auf dem Marsch nach Süden ist. Hoffentlich weiß auch Trogoff davon, denn so oder so dürften seine Tage gezählt sein, wenn wir ihm nicht helfen. «Er fuhr sich mit der Hand quer über die Kehle.»Er dürfte nicht der erste französische Admiral sein, der aufs Schafott steigt. Nicht einmal einer vom ersten Dutzend!»

Bolitho versuchte, sich in die Lage des unglücklichen Admirals zu versetzen. Der mußte tatsächlich eine schwierige Entscheidung treffen.

Bolitho spürte, wie das mächtige Hundert-Kanonen-Flaggschiff jenseits der geschlossenen Tür vor Leben wimmelte, konnte das Knarren der Spieren und Blöcke, die dumpfen Befehle hören. Und drüben, auf seinem eigenen Schiff, warteten Quarme und die anderen gespannt, wie es weitergehen würde. Querpfeifen schrillten vom Oberdeck, er hörte Getrappel und Kommandos. Zweifellos kam noch ein Kommandant an Bord, von einem der achteraus liegenden Schiffe.

Gelassen fuhr der Admiral fort:»In dieser Situation kommt es darauf an, daß wir einen vertrauenerweckenden Beweis unserer Stärke liefern. Und das darf auf keinen Fall schiefgehen, besonders in diesem frühen Stadium nicht. «Er blickte Bolitho bedeutsam an.»Haben Sie schon von der Insel Cozar gehört?»

«Äh — jawohl, Sir. «Er sah die Ungeduld in Hoods Augen aufblitzen und fuhr rasch fort:»Wir haben sie in der Nacht zum Sechsten passiert.»

«Und das ist alles, was Sie von Cozar wissen, nehme ich an?«»Sie liegt vor der französischen Küste, Sir, gehört aber zu Spanien.»

«Na, das ist schon besser«, entgegnete der Admiral trocken.»Die Dinge liegen so, daß der hingerichtete König Louis den Spaniern die Insel gegen bestimmte Konzessionen in der Karibischen See überlassen hat. Cozar liegt etwa 125 Meilen westsüdwestlich von dem Stuhl, auf dem Sie jetzt sitzen. Ein elendes, sonnengedörrtes Stück Land, das die Spanier bis vor kurzem als Strafkolonie benutzten. Mit ihrer gewohnten Verachtung für Menschenleben haben sie erkannt, daß nur Skorpione und Sträflinge dort existieren können. «Unbeweglich stand Hood da und blickte auf Bolitho hinab.»Aber Cozar hat einen wesentlichen Vorzug«, fuhr er fort.»Nämlich einen großartigen natürlichen Hafen — und sonst überhaupt keine Ankergründe. An jedem Ende ist ein Kastell, und eine gutplazierte Batterie könnte eine ganze Flotte beliebig lange in Schach halten.»

Bolitho nickte.»So dicht vor der französischen Küste gelegen, ließe sich die Insel wie eine steinerne Fregatte verwenden. Unsere Schiffe hätten eine sichere Nachschubbasis und einen guten Unterschlupf bei Schlechtwetter und könnten von dort aus Vorstöße gegen die Küstenschiffahrt unternehmen.»

Hood schwieg dazu; und plötzlich wurde es Bolitho klar, was der Admiral mit seiner» vertrauenerweckenden Demonstration der Stärke «gemeint hatte. Ge lassen fuhr er fort:»Wir könnten von dort aus eine zweite Invasion starten, wenn sich die Aktion Toulon als erfolgreich erweisen sollte.»


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