Pelham-Martin schluckte schwer und errötete.»Ich heiße Sie willkommen, Sir, und übermittle Ihnen die Grüße König Georgs. «Nach einem raschen Blick auf Bolitho fügte er hinzu:»Unsere Pflicht war klar, und ich bin wirklich glücklich, daß ich die Absichten des Feindes zunichte machen konnte.»

De Block nickte ernst.»Und dies ist Kapitän Willem Mulder von der Telamon. Er ist ebenso kampfbegierig wie Ihre Leute, doch halte ich es für klüger, daß Sie Ihre Schiffe erst wieder einsatzfähig machen. Ist es nicht so?»

Der Kommandant der Telamon war schlank und drahtig und ebenso sonnengebräunt wie sein Gouverneur. Auch er studierte die Beschädigungen der Hyperion, beherrschte aber seinen Gesichtsausdruck etwas besser als sein Vorgesetzter.

Pelham-Martin antwortete:»Und dies ist mein Kommandant, Kapitän Richard Bolitho.»

Bolitho trat vor. Der beobachtenden Augen ringsum war er sich bewußt, auch Inchs offenkundiger Wut über die Großspurigkeit, mit der Pelham-Martin alles Verdienst für sich in Anspruch nahm, vor allem aber fühlte er den festen Händedruck des Holländers.

De Block sah ihn ein paar Augenblicke forschend an, ohne seine Hand loszulassen. Er schien in Bolithos angespannten Gesichtszügen eine Antwort zu finden, denn er sagte unvermittelt:»Ganz, wie ich mir's gedacht habe, Kapitän!«Und nach einer Pause:»Meinen tiefempfundenen Dank.»

Pelham-Martin sagte abrupt:»Sie sprechen sehr gut englisch.»

«Nun, wir haben viele Kriege gegeneinander geführt. «De Block zuckte vielsagend mit den Achseln.»Seit ich meinen Arm verlor, hatte ich reichlich Gelegenheit, mit Ihren Landsleuten zusammenzukommen und ihre Lebensweise und Sprache kennenzulernen.»

Der Kommodore musterte ihn nachdenklich.»Waren Sie vielleicht unser Gefangener?«Nachsichtig schüttelte er den Kopf.»Das könnte im Krieg schon passieren.»

Der Holländer lächelte.»Nachdem ich den Arm verloren hatte, wurden mir unsere englischen Kriegsgefangenen unterstellt.»

Bolitho hüstelte diskret.»Der Gouverneur würde vielleicht gern in die Kajüte gehen, Sir.»

Pelham-Martin erholte sich schnell von seiner Verwirrung, warf Bolitho aber einen wütenden Blick zu.»Ganz richtig!»

Doch der Holländer schüttelte den Kopf.»Davon will ich nichts hören. Kommen Sie bitte an Land und als Gast in mein Haus. Kapitän Mulder wird Ihnen hier an Bord jede Hilfe leisten, die wir bieten können. «Er sah Bolitho forschend und mit dem gleichen Verständnis in den tiefliegenden Augen an.»Wir sind gut versorgt und, wie ich glaube, auch in der Lage, alle Ihre Bedürfnisse zu befriedigen. «Wieder streckte er die Hand aus.»Wir stehen in Ihrer Schuld und werden unser Bestes tun, um uns für Ihre Tapferkeit zu bedanken.»

Während die Pfeifen schrillten, folgte er Pelham-Martin in das längsseit liegende Boot hinunter.

Bolitho stand an der Schanzpforte und beobachtete, wie das Boot, von kräftigen Schlägen getrieben, dem Ufer zustrebte. Die meisten der Rudergasten waren entweder Farbige oder Mischlinge, aber sie boten keinen Anlaß, an ihrer Haltung oder Disziplin zu zweifeln.

Mulder sagte leise:»Sie sehen erschöpft aus. Es kann nicht leicht sein, unter einem Mann zu dienen, dem es so an Verständnis mangelt.»

Bolitho blickte ihn scharf an, aber der andere Kapitän sah nach oben in die Takelage, wo mehrere Matrosen bereits Leinen einscheren, um die neue Maststenge hinaufzuhieven.

Knapp erwiderte er:»Ihr Gouverneur ist sicher schon sehr lange hier?»

Mulder nickte. Mit gegen den Sonnenglast zusammengekniffenen Augen und professionellem Interesse beobachtete er die hoch über Deck arbeitenden Toppsgasten.»Dreißig Jahre, um genau zu sein. Zunächst als aktiver Offizier und später als Gouverneur. St. Kruis ist jetzt seine Heimat, genauso wie für mich. «Er schien nicht bereit zu sein, dieses Gespräch fortzusetzen, sondern fügte knapp hinzu:»Und jetzt sagen Sie mir, was Sie brauchen.»

Bolitho lächelte knapp. De Block mochte nicht durchschaut haben, daß das Grußzeremoniell gar nicht ihm zugedacht gewesen war, doch offensichtlich hatte er begriffen, welche Rolle PelhamMartin während des Gefechts gespielt hatte. Er war scharfsinnig und weise; Neid und Mißgunst waren ihm an anderen nicht fremd. Bolitho hoffte, daß Pelham-Martin nicht so dumm war, den einarmigen Gouverneur von St. Kruis zu unterschätzen.

Eine Stunde, nachdem Mulder mit seiner Anforderungsliste von Bord gegangen war, kamen die ersten Bootsladungen Lebensmittel längsseit. Die Bewohner von St. Kruis waren wie die Bootsbesatzung des Gouverneurs eine Mischung aus allen Rassen der Karibik. Lachend und schwatzend schwärmten sie über die Decks, zeigten Mitgefühl für die Verwundeten, die in bequemere Quartiere an Land gebracht wurden, und Gutmütigkeit den Matrosen gegenüber, die sich um sie drängten, sie berührten und sich eigener Wörter und Gesten bedienten, um die letzten Barrieren der Fremdheit zu überwinden.

«Es ist wie eine andere Welt, Sir«, sagte Inch.

Bolitho nickte. Er hatte das gleiche gedacht.

Die holländische Flagge wehte über dem alten Schiff und der Stadt, aber die Bewohner der Insel hatten sich im Lauf der Jahre so vermischt, waren so sehr auf sich selbst gestellt gewesen, daß es ihnen schwerfallen würde, sich fremder Herrschaft zu beugen. Gleichgültig, wer das sein mochte.

Allday kam nach achtern und grüßte.»Befehle für mich, Cap-tain?»

Bolitho reckte die Arme und sah den Riß in seinem Hemd, den die Musketenkugel im Ärmel hinterlassen hatte. War es möglich? Konnte er dem Tod so nahe gewesen sein?

Er sagte:»Nehmen Sie die Gig, Allday, und gehen Sie an Land. Halten Sie Augen und Ohren offen, verstanden?»

Alldays Gesicht blieb ausdruckslos.»Verstanden, Captain. «Dann grinste er.»In einer Stunde bin ich wieder an Bord.»

Bolitho dachte plötzlich an frisches Wasser und ein sauberes Hemd. Er nickte Inch zu und ging nach achtern zum Kartenraum.

Kommodore und Gouverneure mochten über hohe Politik diskutieren, dachte er grimmig. Aber die Alldays dieser Welt erfaßten oft den Kern der Dinge in der Hälfte der Zeit.

Für die Besatzung der Hyperion waren die Tage nach ihrer Ankunft in St. Kruis mit nichts zu vergleichen, was sie je erlebt hatte. Vom anbrechenden Morgen bis in die sinkende Nacht hielten die Reparaturarbeiten fast ohne Pause an, doch dank der üppigen Umgebung und der freundlichen Atmosphäre fanden sie dennoch Zeit für andere, interessantere Dinge. Die Erinnerungen an das Gefecht, sogar an die Wunden, die es geschlagen hatte, waren fast vergessen, und während Zimmerleute und Matrosen hoch über Deck oder tief im Rumpf arbeiteten, verbrachten andere, Glücklichere oder Geschicktere, ihre Zeit an Land mit dem Herbeischaffen von Frischwasser und Obst und nahmen jede Möglichkeit wahr, ihre Beziehungen zum weiblichen Teil der Bevölkerung zu verbessern.

Zu Beginn der dritten Woche warfen die Indomitable und die Hermes mit ihren zwei Begleitschaluppen in der Bucht Anker, und Bolitho fragte sich, wie lange Pelham-Martin noch brauchen würde, um sich für einen endgültigen Aktionsplan zu entscheiden. Bisher hatte der Kommodore wenig mehr getan, als die beiden Fregatten auf getrennte Patrouillenfahrten nach Südwesten zu schicken, doch jetzt, da er große Schiffe zur Verfügung hatte, mochte er endlich bereit sein, zu handeln.

Für Bolitho war es leicht gewesen, seine Leute zu beschäftigen.

Die Reparaturen im Rigg und an Deck brachten Arbeit in Fülle, und der schon vorher bestehende Mangel an Leuten wurde durch die Verluste im Gefecht noch erhöht, so daß ihm jetzt ein Sechstel zu einer vollständigen Besatzung fehlte. Doch selbst ihre Überbeanspruchung reichte nicht aus, um seine Leute vor Schwierigkeiten zu bewahren. Er konnte und wollte nicht verbieten, daß sie in kleinen Gruppen an Land gingen, doch es hatte schon Reibereien, sogar Schlägereien mit einigen männlichen Einwohnern gegeben, und der Grund dafür war leicht zu erraten.


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