Das nahm mir den Wind aus den Segeln. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob diese Antwort ein Stück des wahren Frank Bach offenbarte oder nur eine weitere Übung in praktizierter Desinformation war, um mich in die ihm genehme Richtung zu lenken.

»Haben Sie deshalb das Bruchstück aus diesem Wrack um den Hals getragen, all die Jahre lang?«, wollte ich wissen.

»Bruchstück von einem UFO-Wrack?«, fragte Bach mit abfällig heruntergezogenen Mundwinkeln. »Ist es das, wofür Sie es halten?«

»Selbstverständlich«, sagte ich fest. »Ich weiß Bescheid. Ich weiß mittlerweile sogar ziemlich genau, was vor sechzehn Jahren passiert ist.«

»Ach ja, wissen Sie das?«, fragte Bach ohne jede Spur von Humor. »Wie naiv sind Sie eigentlich, Loengard? Sie haben das Artefakt doch in den Händen gehalten. Sieht es vielleicht aus wie das Bruchstück einer Caravelle? Oder wie das eines Mustang-Jagdfliegers? Sieht es nicht ganz anders aus als alles, was man mit dem Wrack eines wie auch immer gearteten Flugobjekts in Verbindung bringt?«

»Selbstverständlich sieht es anders aus«, sagte ich. »Die Ganglien sehen ja auch anders aus als die kleinen grünen Männchen auf den Covertiteln der Science-Fiction-Magazine. Es würde mich sogar komplett überraschen, wenn ein Teil aus dem Wrack eines UFOs irgendwelche Ähnlichkeiten mit irgendetwas mir Bekanntem hätte.«

»Die Eigenständigkeit des Objekts hat Sie nicht stutzig gemacht?«, fragte Bach lauernd.

»Doch...« Ich runzelte die Stirn. Selbstverständlich hatte es das, aber ich wusste dennoch nicht, worauf Bach hinauswollte. »Es kann ja auch sein, dass es nicht aus der Außenhülle stammt, sondern beispielsweise – eine Art Karte war für die Piloten.«

»Eine Karte für die Piloten?« Bach lächelte geringschätzig. »Das ist kompletter Unsinn.«

»Ach ja?«, sagte ich. »Ist es dann vielleicht auch kompletter Unsinn, dass Sie und Ihresgleichen das UFO kaltblütig abgeschossen haben?«

Während ich den Satz aussprach, wusste ich bereits, dass ich einen Fehler machte. Es war doch ganz offensichtlich, warum Bach mich in dieses Gespräch hineingezogen hatte: Er wollte wissen, was Kim, Ray und ich bislang in Erfahrung gebracht hatten. Und darüber hinaus musste es für ihn brennend wichtig sein herauszubekommen, ob und wo wir mit unserem Wissen bereits hausieren gegangen waren. »Das war kein Wetterballon, der bei Roswell niedergegangen ist«, fuhr ich in dem Bestreben fort, ihn so weit wie möglich zu provozieren. »Es war nicht einmal die Bruchlandung eines UFOs. Sie kamen in Frieden, um mit uns zu reden. Und Sie haben sie einfach aus dem Himmel geholt, mit einer Flaksalve, so wie die Deutschen unsere Bomber vom Himmel gefegt haben.«

Bachs Reaktion war ganz anders, als ich erwartet hatte. Seine Mundwinkel glitten leicht nach oben, weder spöttisch noch belustigt, und dann nickte er ganz leicht. »Ja«, sagte er einfach. »So kann man es natürlich sehen. Und so würden es auch viele sehen, wenn wir so leichtsinnig wären, die Ereignisse von Roswell unzensiert zu veröffentlichen. Und genau das ist der Grund, warum wir es nicht tun.«

»Das ist doch Quatsch«, sagte ich heftig. »Sie haben sie abgeschossen und daraufhin haben sie uns den Krieg erklärt.«

Jetzt schüttelte Bach nur ganz leicht den Kopf und es war so viel Resignation in dieser Bewegung, dass ich unwillkürlich zögerte, die nächsten Anklagepunkte hervorzubringen. Bach nahm die Zigarette, die er auf dem Aschenbecher abgelegt hatte, in die Hand, betrachtete sie einen Moment gedankenverloren und nahm dann einen tiefen Zug.

Ich stand immer noch mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper vor ihm, in einer Haltung, die überhaupt nicht mehr zu der Situation passte. »Okay, Frank«, sagte ich und ließ mich ihm gegenüber in einem der schwarzen Konferenzstühle nieder. Es war eine merkwürdige Situation – diese Mischung zwischen Verhör und fast freundschaftlichem Schlagabtausch, bei dem die Machtverhältnisse allerdings genauso klar definiert waren wie bei einem Gespräch zwischen einem Novizen und einem Abt in einem buddhistischen Kloster. Und dennoch: In mir brannte die Neugierde und ich wollte unbedingt wissen, was nun wirklich passiert war.

»Warum lassen wir nicht das ganze Spiel, Frank?«, fragte ich. »Warum erzählen Sie mir nicht einfach Ihre Version der Ereignisse von Roswell?«

Bach hatte den Kopf leicht zurückgelegt und paffte an seiner Zigarette; der helle Rauch zog in Richtung Klimaanlage und machte mir einmal mehr klar, dass Majestic viele Fuß tief unter die Erde eingegraben lag, ein ausgedehntes Bunkersystem, das wahrscheinlich sogar einem direkten Atombombentreffer standhalten würde. Es war sicherlich kein Zufall, dass Bach sich wie ein Maulwurf in die Erde gebuddelt hatte – das kam seinem Instinkt entgegen, alles zu verbergen und so gut wie möglich zu sichern. Ich bezweifelte allerdings, dass er während der Planung von Majestic auf den Gedanken gekommen war, der Feind könne sich einen viel hinterhältigeren Weg einfallen lassen, um in Majestic einzudringen: Den von Ganglien zerfressenen Steel hatten weder die meterdicken Betonmauern noch die speziell abgeschotteten Sicherheitsbereiche aufhalten können.

Ein paar Sekunden lang herrschte absolutes Schweigen. »Ich wüsste nicht, inwieweit uns das weiterbringen sollte«, sagte er schließlich.

»Weil wir letztlich nicht Feinde sind, sondern Verbündete«, sagte ich ärgerlich. »Und weil es sein kann, dass wir durch das Zusammenlegen unserer Informationen auf neue Erkenntnisse stoßen. Denken Sie nur an Steel, da kam der entscheidende Hinweis schließlich auch von mir.«

»Hm«, machte er und blies einen Rauchring zur Decke. Es gelang ihm nicht ganz, aber er war auch nicht mit dem Herzen bei der Sache. Er senkte den Kopf und starrte mich an, wie ein Lehrer, der mit einem besonders uneinsichtigen Schüler konfrontiert war. Ich dachte an die Ganglien, die ganzen widerwärtigen Einzelheiten und an meine erste Reaktion auf den toten Grauen, der seit Jahren in einem Kühlfach zwei Stockwerke tiefer lag. Ich erinnerte mich daran, dass Steel in die Ermordung Kennedys verwickelt gewesen war, getrieben von einer grausam intelligenten Kraft, die auch schon andere Menschen vor ihm zu furchtbaren Handlungen angetrieben hatte: der mordlüsterne Farmer Elliot P. Brandon etwa, der mich mit seinem Truck fast dem Erdboden gleichgemacht hatte. All das stand im scharfen Kontrast zu der Schönheit des durchscheinenden dreieckigen Artefakts, das ich zuletzt im Beisein Jesse Marcels bewundert hatte, als sich das grelle Licht der Sommersonne in einer kreisförmigen Welle auf der folienähnlichen Oberfläche gebrochen und die Illusion von Erhabenheit und Frieden vermittelt hatte.

»Sie sind sehr naiv, John«, wiederholte Bach, als hätte er meine Gedanken erraten.

»Kann schon sein«, entgegnete ich ruhig. »Aber darauf kommt es jetzt wirklich nicht an, Frank. Wollen Sie mir jetzt nicht endlich erzählen, was in Roswell wirklich passiert ist?«

Er nahm einen letzten langen Zug und drückte den Zigarettenstummel im Aschenbecher aus; der kalte Rauch stieg mir unangenehm in die Nase. »Sie meinen, Sie wollen meine Version hören?«, erkundigte er sich dann mit perfekt gespielter Höflichkeit. »Oder die Wahrheit?«

»Was immer Sie zum Besten geben wollen«, antwortete ich kurz.

Bach nickte ungerührt. »Sie haben mit Jesse gesprochen, nicht wahr?«

Der Name löste in mir eine unangenehme Erinnerung aus; Bachs Leute hatten den ehemaligen Öffentlichkeitsbeauftragten von Roswell schon im Hotel TEXAS in ihre Gewalt gebracht und das, bevor ich von ihm die ganze Geschichte in Erfahrung bringen konnte. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«, fragte ich stirnrunzelnd, gleichermaßen um das Schicksal des schmächtigen Mannes besorgt wie auch begierig darauf, die letzten fehlenden Puzzlestücke der Roswell-Geschichte zu erfahren.

»Jesse Marcel.« Bach lachte kurz und freudlos. »Ein Mann, der sechzehn Jahre lang daran gearbeitet hat, sich im Selbstversuch ein Rückgrat wachsen zu lassen. Sie werden ja seine Geschichten gehört haben, Loengard. Alles, was er zu Stande gebracht hat, ist ein Korsett aus Verschwörungstheorien und wilden Spekulationen. Das hält ihn aufrecht, das und ein klares Feindbild.«


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