Da war auch schon der andere ART-Spezialist heran. Er stürmte wie ein wütender Bulle auf Steel zu. Dieser wirbelte herum, packte den Mann, als sei er ein Kind, und schleuderte ihn mit einer unglaublich kräftigen Bewegung in Hertzogs Richtung. Die beiden Männer gingen krachend zu Boden. Da war Steel auch schon über ihnen, schlug den ART-Spezialisten mit einem einzigen seitlich geführten Fausthieb bewusstlos und riss ihm seine schussbereite Pistole aus dem Holster. Bach machte einen Schritt auf ihn zu; aber dabei blieb es. Steel handelte schnell und überlegt. Er schlug Bach mit der Waffenhand zur Seite und der Chef der mächtigen Majestic-Operation ging ohne einen Laut zu Boden. Dann wirbelte Steel mit der Waffe in der Hand in Richtung seines gefährlichsten Gegners: Albano, der bereits wieder auf die Füße gekommen war und gerade seine Waffe zog. Steel schoss; zweimal bellte die schwere Magnum in dem kleinen Raum auf und beide Kugeln zerschmetterten ein paar Glasgefäße in der Vitrine mit Hertzogs Utensilien, dann erwiderte Albano das Feuer. Es war nur ein Schuss, aber er traf. Steel wurde ein Stück zurückgeschleudert und ein roter Fleck zeichnete sich oberhalb des Gürtels auf seinem Hemd ab.

Es war ein Schuss, der einen anderen Gegner zweifelsohne zu Boden gestreckt hätte. Aber es schien, als könne Steel den Treffer ohne weiteres wegstecken. Als er sich umdrehte und aus dem Raum stürmte, taumelte er nicht einmal. Doch er kam nicht weit: Die Wirkung von Hertzogs ART-Mischung holte ihn schlagartig ein. Er schrie auf, stolperte in den Gang hinaus und die Magnum polterte zu Boden, als er die Hände in einer entsetzten Geste vors Gesicht schlug. Wimmernd ging er in die Knie und gab noch einmal einen unartikulierten, erschreckend fremdartigen Laut von sich. Als Albano mit gezogener Waffe hinter ihm auftauchte, brach er endgültig zusammen. Wimmernd wie ein kleines Kind, das einen schweren Schock erlitten hatte, krümmte er sich am Boden.

Mittlerweile war ein anderer bewaffneter Majestic-Agent im Korridor aufgetaucht und eilte auf den zusammengebrochenen Steel zu. Bach und Hertzog drängten sich an Albano vorbei, der die Waffe noch immer nicht hatte sinken lassen.

»Es ist aus, Jim«, sagte Bach so ungerührt zu seinem vor ihm liegenden und wimmernden Mitarbeiter, als würde er ein alltägliches Gespräch über einen Einsatz führen. »Das Zeug, das Sie in sich haben, wird dem Ganglion den Garaus machen. Wir müssen die Prozedur nur noch abschließen.«

»Ohhccch«, gurgelte Steel. Weißer Schaum trat vor seinen Mund, wie bei einem Tollwütigen im Endstadium. Seine linke Hand hatte sich an seinem Hemdkragen verkrallt und er zerrte daran, als würde er keine Luft mehr bekommen.

Bach beugte sich zu ihm herunter. »Aber es gibt da noch ein paar Dinge, die wir wissen müssen.«

»Nichts... müsst ihr wissen«, stieß Steel mühsam hervor.

»Oswald hat in Ihrem Auftrag gehandelt, nicht wahr?«, fragte Bach in beiläufigem Ton. »Die Ballistiker haben festgestellt, dass es drei Schützen waren. Wer war der Dritte?«

Steel schüttelte schwach den Kopf. »Das ist nur der Anfang«, keuchte er an Stelle einer direkten Antwort.

»Das Ganglion hat an Kraft verloren«, sagte Hertzog. Er warf einen Blick auf seine alte Armbanduhr mit dem abgewetzten braunen Lederarmband. »Die Wirkung hat jetzt ihr Maximum erreicht.«

»Okay«, sagte Bach ungerührt, während er sich erhob und zum Gehen wandte. »Bringt es zu Ende.«

24. November 1963, 20:43

Majestic, Konferenzraum

Es war ein merkwürdiges Gefühl, nun Bach wieder gegenüberzusitzen und ausgerechnet in dem Raum, in dem er noch vor kurzem zusammen mit Albano den Film über Oswalds Hinrichtung angesehen hatte. Ein durchaus nicht angenehmes Gefühl. All das, was mich je mit Majestic verbunden hatte, war Illusion gewesen: die Illusion, dass ich an einer guten und großen Sache mitarbeitete, dem Kampf gegen unvorstellbar fremdes außerirdisches Leben, das sich am Effektivsten mit einer Geheimorganisation wie Majestic bekämpfen ließ. Mittlerweile hatte ich erkannt, wie falsch und gefährlich dieser Glaube war. Nur wenn die Menschheit die Wahrheit erkannte, würde sie auf lange Sicht mit der Gefahr aus dem All fertig werden. Männer wie Bach dagegen nutzten das Agentenspielchen nur, um ihre Macht zu stärken und einen Staat im Staate zu bilden.

»Ihr Alleingang ist vollkommen sinnlos«, sagte Bach ärgerlich, kaum das wir uns gesetzt hatten. »Dieses Spiel bringt niemandem etwas – nicht Ihnen, nicht dem Land, nicht dem Präsidenten.«

»Was für ein Spiel?«, fragte ich ärgerlich. »Das ist doch kein Spiel. Der Präsident ist tot.« Ich schüttelte wütend den Kopf. Egal, was ich jetzt sagte, ich würde mich sowieso um Kopf und Kragen reden. Und wenn das so war, wollte ich wenigstens wissen, was genau hier passiert war und welche weiteren Schritte Bach plante. »Sind Sie in die Sache verwickelt, Frank?«

»In welche Sache?«, fragte Bach ungewohnt rasch und legte das Feuerzeug beiseite, mit dem er sich eine Zigarette angezündet hatte. »Mein Land und die Menschheit vor einer unglaublichen Bedrohung zu beschützen? Gegen dummdreiste Regierungsstellen anzukämpfen, die überhaupt nicht begreifen, worum es geht? Bornierten Hornochsen klarzumachen, dass sie die Gelder für Majestic nicht streichen dürfen?« Er lehnte sich zurück und gestattete sich den Luxus eines Lächelns. »Natürlich bin ich darin verwickelt. Aber Sie müssen sich ja in alles einmischen. Sie mussten ja unbedingt den weißen Ritter spielen, der gegen die Windmühlenflügel der Bürokratie kämpft, Mister Don Quijote. Sie haben alles durcheinander gebracht.«

»Na und? Ich habe nur getan, was getan werden musste. Der Präsident hatte schließlich das Recht zu wissen, was vorgeht. Die ganze Menschheit hat das Recht zu wissen, was vorgeht. Es ist Ihre Geheimniskrämerei, die den Präsidenten umgebracht hat.«

»Sie gehen entschieden zu weit, Loengard«, sagte Bach kalt. »Es liegt nicht an Ihnen zu entscheiden, wer was wissen darf. Sie haben den Stein ins Rollen gebracht, der letztlich zu Kennedys Ermordung führte...«

»Das ist doch Quatsch.« Ich sprang von meinem Stuhl auf und ging ein paar Schritte hin und her. Bachs Augen folgten mir wie die einer Schlange – aufmerksam, wachsam, aber ohne jede Spur von Gefühl. »Ich habe überhaupt keinen Stein ins Rollen gebracht. Die Gerölllawine wäre auch ohne mich den Abhang hinuntergesaust.«

»Ach ja, wäre Sie das?«, fragte Bach höhnisch.

»Aber sicher«, beharrte ich. Ich blieb ein paar Schritte vor ihm stehen, wie ein Staatsanwalt vor der Jury, wenn er sein großes Plädoyer hält. »Wenn ihn etwas umgebracht hat, dann war es Ihre Geheimniskrämerei«, fuhr ich fort. »Verdeckte Operationen, Tarnfirmen, Agenten mit der Lizenz zum Töten, alles, was Sie während der letzten sechzehn Jahre unter Verschluss gehalten haben.« Ich deutete mit dem Finger auf ihn. »Wissen Sie, was Ihr größtes Problem ist, Frank? Sie vertrauen absolut niemandem, vielleicht nicht einmal sich selbst.«

Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und blies den Rauch in meine Richtung. »Ich habe Ihnen vertraut, John«, behauptete er.

»Blödsinn«, sagte ich ungerührt. »Sie haben mich benutzt und manipuliert und mich für ein oder zwei Bauernopfer aufgebaut. Erzählen Sie mir nichts von Vertrauen.« Ich ging ein paar Schritte zurück und wandte mich ihm dann wieder zu. »Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt. Wenn Sie für die Menschheit kämpfen, Frank, dann sollten Sie ein wenig mehr Vertrauen zu uns haben. Was hält Sie eigentlich in Gang? Woher nehmen Sie die Kraft weiterzumachen, wenn Sie weder an uns noch an sich selbst glauben können?«

Bach inhalierte einen weiteren tiefen Zug und die Furchen in seinem Gesicht schienen plötzlich tiefer zu werden. »Am Ende des Glaubens«, sagte er nach einer Weile, »findet sich die Furcht.«


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