»Vor einer Stunde auf dem Flughafen«, antwortete Kennedy. »Ich habe das Gefühl, dass er versuchte, Johns persönliche Sachen zu durchsuchen. Sie wissen, was das bedeutet, wenn es wahr ist.«

Mein Mund war plötzlich ganz trocken. Ich hatte Mühe, zu antworten. »Er weiß, dass wir das Artefakt haben.«

»Wir sollten lieber davon ausgehen, dass es so ist, ja«, antwortete Kennedy. »Sie müssen schnell handeln, John. So lange er das Trümmerstück noch in unserem Besitz vermutet, sind Sie einigermaßen sicher. Aber Bach ist nicht dumm. Ich glaube nicht, dass Ihnen viel Zeit bleibt. Unser Vertrauensmann erwartet Sie morgen Vormittag im Hotel TEXAS in Fort Worth. Zimmer 422.«

»Ich werde da sein«, versprach ich.

»Gut, John. Seien Sie vorsichtig. Und... viel Glück.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Ich starrte den Hörer in meiner Hand noch einen schweren Herzschlag lang an, dann hängte ich ein und verließ die Telefonzelle.

Kim schlief, als ich in unser Zimmer zurückkehrte. Ich hatte einen großen Umweg gemacht, nicht nur, um vom Restaurant aus nicht mehr gesehen zu werden, sondern auch, um noch ein wenig Zeit für mich zu gewinnen, in der ich meine Gedanken ordnen konnte.

Es hatte nichts genutzt. Ich fühlte mich verunsicherter und verstörter als vor meinem Gespräch mit Kennedy und ich wusste weniger denn je, was ich tun sollte. Kennedys Worte hatten mir nicht einmal Aufschluss über die Frage gegeben, ob Bach und Majestic nun wirklich etwas mit dem Attentat auf seinen Bruder zu tun hatten oder nicht. Zweifellos wusste Bach mittlerweile, dass wir ihm das Trümmerstück gestohlen hatten: Ein Bruchstück des UFOs, das vor sechzehn Jahren in der Nähe von Roswell abgestürzt war und das er seither in einem Medaillon auf der Brust bei sich trug. Und ebenso zweifellos wusste er auch, wem wir dieses Trümmerstück zusammen mit anderen Informationen über Majestic-12 zugespielt hatten – und warum. Das alles jedoch war noch lange kein Beweis, dass Bach tatsächlich hinter dem Anschlag auf Kennedy steckte. Ebenso gut konnte er versuchen, die momentane Verwirrung auszunutzen, um sein Eigentum zurückzubekommen.

Ich schaltete kein Licht ein, als ich das Motelzimmer betrat, sondern tastete mich im Halbdunkeln zum Nachttisch, nahm den Fahrplan, den ich vorhin darauf gesehen hatte, und ging damit ins Bad. Bevor ich den Lichtschalter betätigte, schloss ich sorgsam die Tür. Ich wollte Kim nicht wecken. Nach allem, was hinter uns lag, hatte sie jede Minute Schlaf bitter nötig.

Der nächste Bus in Richtung Dallas ging in einer halben Stunde; Zeit genug, unser weniges Gepäck zusammenzupacken und ihn zu erreichen. Aber das hätte bedeutet, mitten in der Nacht dort anzutreffen, in einer Stadt, die sich vermutlich in einer Mischung aus Hysterie und Lähmung befand und in der man jedem Fremden mit Misstrauen und Argwohn begegnete. Und dazu kamen noch Bach und seine Leute. Es war besser, wir verbrachten die Nacht hier und gestalteten unseren Aufenthalt in Dallas so kurz wie möglich.

Der nächste Bus ging in gut drei Stunden; also konnte ich Kimberley noch zweieinhalb Stunden Schlaf gönnen – zweieinhalb Stunden, die wach zu bleiben mir wahrscheinlich umso schwerer fallen würden. Ich war zwar noch immer aufgewühlt und so nervös, dass es mir nicht einmal gelang, den Fahrplan ruhig in der Hand zu halten, aber die zurückliegenden Stunden begannen allmählich doch ihren Tribut zu fordern. Die Verlockung, mich neben Kim auf dem Bett auszustrecken, einfach nur, um meinen müden Gliedern ein wenig wohlverdiente Ruhe zu gönnen, war groß, aber ich durfte ihr nicht nachgeben. Wenn ich das tat, würde ich wahrscheinlich einschlafen und erst am nächsten Abend wieder wach werden. Und die Verabredung am nächsten Tag im Hotel TEXAS war vielleicht die letzte Chance, die wir noch hatten, jemals in ein wenigstens halbwegs normales Leben zurückzukehren.

Ich ließ das Licht im Badezimmer brennen, ging jedoch nicht in unser Apartment zurück, sondern lehnte mich gegen den Türrahmen und beobachtete Kimberley. Sie lag auf dem Bett und schlief, aber jetzt, nachdem sich meine Augen allmählich an die hier drinnen herrschende Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich auch, dass es kein ruhiger Schlaf war. Sie bewegte sich, warf den Kopf hin und her und stöhnte ganz leise. Ihre Lippen bewegten sich und formten unhörbare Worte. Sie hatte einen Albtraum. Natürlich hatte sie einen Albtraum. Wie hätte sie auch nach dem, was hinter uns lag, ruhig schlafen können?

Ich überlegte einen Moment, ob ich noch einmal ins Drive-in gehen und einen weiteren Kaffee trinken sollte, entschied mich dann aber dagegen. Ich wollte nicht, dass Kim sich allein in der Dunkelheit wiederfand, wenn sie während meiner Abwesenheit erwachte. So ging ich lautlos zum Fernseher, schaltete ihn ein und drehte den Ton ab, noch bevor die Bildröhre Zeit hatte, sich zu erwärmen und hell zu werden. Es dominierte immer noch die gleiche Art trister Berichterstattung: Auf allen vier Kanälen, die ich hereinbekam, waren Nachrichtensprecher mit erstarrten Gesichtern und leeren Blicken zu sehen. Trotzdem drehte ich den Ton behutsam wieder an, bis ich wenigstens bruchstückhaft verstehen konnte, was gesprochen wurde.

Obwohl der Ton gerade an der Schwelle des überhaupt Hörbaren war, war er vielleicht doch schon zu laut, denn Kimberleys Stöhnen nahm schlagartig zu, dann fuhr sie mit einem Schrei hoch, riss die Augen auf und sah sich mit einem Ausdruck um, auf den kein anderes Wort als Panik zutraf. Sie keuchte irgendetwas, das sich wie ein Name anhörte, aber ich verstand es nicht genau.

Mit einem Satz war ich bei ihr, schloss sie in die Arme und erschrak erneut, als ich spürte, wie rasend schnell ihr Puls ging. Sie war in Schweiß gebadet. Vielleicht hatte ich ihr keinen Gefallen getan, sie schlafen zu lassen.

»Es ist alles in Ordnung, Liebling«, murmelte ich. »Keine Angst. Du bist in Sicherheit. Es war nur ein Traum.«

Kim löste sich mit einiger Mühe aus meiner Umarmung, setzte sich noch weiter auf und sah mich auf eine Weise an, die mich schaudern ließ. Sie sah sich immer noch mit wilden Blicken um und das Zittern ihrer Hände nahm nicht ab, sondern im Gegenteil immer mehr zu. »Wo ist er?«, murmelte sie. »Wo...?«

»Wer?«, fragte ich, schüttelte aber praktisch in der gleichen Sekunde den Kopf und sagte noch einmal: »Es war nur ein Traum. Es ist vorbei, Liebling.«

Kimberley atmete hörbar ein, aber dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Nein«, sagte sie.

»Nein? Was meinst du damit?«

»Ich... bin nicht sicher«, antwortete Kimberley. Sie versuchte zu lächeln, aber es wurde nur eine nervöse Geste daraus, die ich nicht genau einordnen konnte. »Ich meine, es... es ist ein Traum, aber ich bin... nicht sicher. Vielleicht... ist es auch eine Erinnerung. Da ist ein Mann. Ein Astronaut.«

»Ein Astronaut?« Ich machte keinen Hehl aus meinem Zweifel.

»Er war... im Schiff«, murmelte Kimberley. »Oben, als... als ich auch dort war.«

Erst jetzt begann ich allmählich zu begreifen. »Das Schiff? Das Schiff der Grauen?«

»Hive«, antwortete Kimberley. »Sie nennen sich Hive.«

»Woher...?« Ich brach ab, ging rasch zur Tür und schaltete das Licht ein. Die plötzliche Helligkeit ließ Kimberley blinzeln, aber sie schien trotzdem nicht in der Lage zu sein, die Dunkelheit zu vertreiben. Es war ein völlig verrückter Gedanke, aber ich hatte plötzlich das Gefühl, dass Kimberley etwas aus ihrem Albtraum mit herüber in die Wirklichkeit gebracht hatte. Ich ging zurück zum Bett, setzte mich neben sie und streckte die Hand nach ihr aus, aber sie schien vor meiner Berührung zurückzuschrecken.

»Erzähle«, sagte ich leise. »Es ist nicht das erstemal, dass du diesen Traum hast, oder?«

»Ich war im Schiff«, murmelte Kim. »In jener Nacht, als sie mich geholt haben.«

»Warum hast du mir nichts davon erzählt?« Ich versuchte, jeden noch so schwachen Ton von Vorwurf aus meiner Stimme zu verbannen, spürte aber selbst, dass es mir nicht vollkommen gelang.


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