«Also. «Sir Cornelius Hoskyn betrachtete Herrick forschend über den Rand seines Lorgnons.»Sie erhalten umgehend Ihre Befehle, wahrscheinlich noch heute abend. Sowie ich von Bord bin, rufen Sie Ihre Kommandanten zu einer Einsatzbesprechung zusammen und bereiten sie ohne weitere Verzögerung auf ihre Aufgabe vor. Ob sie unterbemannt, leck oder sonstwas sind, schert mich einen Dreck; es ist nicht mein Problem, sondern ihres. Manche Leute glauben zwar, daß demnächst der Friede ausbricht — wollte Gott, sie behielten recht — , aber bis man mich vom Gegenteil überzeugt, befinden wir uns im Kriegszustand. «Obwohl er nicht die Stimme gehoben hatte, hallten seine Worte wie Pistolenschüsse in der sonnendurchfluteten Kajüte.
«Halten zu Gnaden, Sir Cornelius…«Herrick fühlte sich zwar hoffnungslos ins Hintertreffen geraten, blieb aber eisern.»Meine Schiffe unterstehen nach wie vor dem Oberkommando von Konteradmiral Richard Bolitho, und es wird Ihnen doch klar sein, daß… »
Der Admiral musterte ihn ernst und füllte zunächst sorgfältig ihre Gläser nach, ehe er antwortete.
«Ich hege großen Respekt vor Ihnen, Herrick, deshalb komme ich persönlich einer Aufgabe nach, die mir so verhaßt ist wie bisher selten eine. «Er milderte seinen Ton.»Bitte, trinken Sie noch einen Schluck. Der Wein kommt aus meinem eigenen Keller.»
Herrick schluckte Wein, ohne ihn zu schmecken; ebensogut hätte er auch Bilgenwasser trinken können.
«Sir?»
«Ich habe gerade durch einen Sonderkurier Nachricht erhalten und muß Ihnen folgendes mitteilen: Vor zehn Tagen, offenbar bei dem Versuch, feindliche Schiffe südlich der Loiremündung zu vernichten, erlitt die Fregatte Seiner Majestät Styx Schiffbruch. Es war ein Totalverlust. Das Unglück geschah sehr schnell und bei auffrischendem Wind. «Der Hafenadmiral machte eine Pause, ohne den Blick von Herricks Gesicht zu wenden.»Und da gleichzeitig mehrere feindliche Schiffe am Schauplatz erschienen, unter ihnen ein Linienschiff, wurde das Gefecht abgebrochen.»
Leise fragte Herrick:»Unsere anderen Schiffe haben sich zurückgezogen, Sir?»
«Es handelte sich nur um ein einziges Schiff von Bedeutung, und ihr Kommandant, der ranghöchste anwesende Offizier, traf diese Entscheidung. Ich bedaure zutiefst, daß ich Ihnen die Nachricht überbringen muß, denn ich weiß, was die Freundschaft Richard Bolithos Ihnen bedeutet hat.»
Herrick erhob sich taumelnd, als sei er geschlagen worden. »Bedeutet hat! Sie meinen…»
«Es kann nicht viele Überlebende gegeben haben. Dennoch darf man nie aufhören zu hoffen.»
Herrick ballte die Fäuste und wandte sich den Heckfenstern zu, ohne sie zu sehen.»Er hat oft vorausgesagt, daß es einmal so kommen würde. «Mit rauher Stimme fügte er hinzu:»Wer war der andere Kommandant, Sir, der die Entscheidung zum Rückzug traf?«Aber insgeheim wußte er es schon.»Emes von der Phalarope.»
Immer noch konnte Herrick den Hafenadmiral nicht anblicken. Der junge Pascoe mußte alles mit angesehen haben, hatte nichts dagegen unternehmen können, daß dieser elende Feigling Emes den Schwanz einkniff und floh.
Aber dann kam ihm ein neuer Gedanke, so daß er ausrief:»Mein Gott, Sir, und sie kommt nach Plymouth! Ich meine die Frau, die er in Falmouth heiraten wollte! Was soll ich ihr nur sagen?»
Der Admiral erhob sich.»Ich halte es für das beste, wenn Sie sich auf Ihre Pflicht konzentrieren. Nur so können Sie sich ablenken. Verluste sind nur zu alltäglich geworden in diesem Krieg, der offenbar nie zu Ende gehen will. Trotzdem gewöhnt man sich nicht daran. Ich will Ihnen auch keinen billigen Trost zusprechen, weil ich weiß, daß es Trost für Sie nicht gibt. Wenn ich Näheres erfahre, lasse ich es Sie so schnell wie möglich wissen.»
Herrick folgte dem Hafenadmiral hinaus auf das breite Batteriedeck und verabschiedete ihn, ohne sich ganz bewußt zu werden, was er tat.
Als er seine Umgebung schließlich wieder wahrnahm, hatte die Schaluppe des Hafenadmirals bereits abgelegt, und Wolfe erbat Erlaubnis, die Ehrenwache wegtreten zu lassen.»Darf ich fragen, was geschehen ist, Sir?«Wolfes knappe, sachliche Stimme riß Herrick aus seiner Erstarrung.»Richard Bolitho und Styx — wir haben sie verloren. «Wolfe stellte sich schnell so, daß er Herrick vor den Blicken der anderen abschirmte.»Beeilung, ihr Trantüten! An die Arbeit, oder ich lasse den Bootsmann eure faulen Häute klopfen, bis ihr springt!»
Herrick kehrte in seine Kajüte zurück und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Nichts war mehr wichtig für ihn, weder das Schiff, noch sein Kommodorewimpel, nicht einmal sein junges privates Glück.
Wolfe erschien in der Tür.»Haben Sie Befehle Sir?«»Doch, ja, die habe ich, Mr. Wolfe. Lassen Sie an Mcator und Indomitable signalisieren, daß ich die Kommandanten zu mir an Bord bitte. «Aber dann schüttelte Herrick mutlos den Kopf.»Lassen Sie, das kann noch warten. Setzen Sie sich und versuchen Sie den Wein, den der Admiral mitgebracht hat. Er soll sehr gut sein.«»Gern, Sir«, antwortete Wolfe,»aber später. Im Augenblick bin ich an Deck noch nicht entbehrlich. Das Signal heiße ich um acht Glasen,[11] Sir, dann bleibt noch reichlich Zeit.»
Vor der Kajüte wäre Wolfe fast über die winzige Gestalt von Ozzard gestolpert. Mein Gott, der Mann weinte ja! Offenbar wußte an Bord schon jeder Bescheid. Es war doch immer dasselbe: Bei der Navy ließ sich nichts geheimhalten.
Draußen im Sonnenschein verhielt Wolfe und atmete ein paarmal tief durch. An Deck warteten keine sonderlich dringenden Aufgaben; er hatte sie nur vorgeschützt, weil er um nichts in der Welt hätte dasitzen können und Herricks Qual mitansehen. Daß er nichts tun konnte, um diesem Mann zu helfen, den er schätzen gelernt hatte, deprimierte Wolfe zutiefst; noch nie war er sich so überflüssig vorgekommen.
In der Kajüte goß Herrick sich ein neues Glas Wein ein. Und danach noch eins. Das machte es zwar nicht leichter, aber es gab seinen Händen wenigstens etwas zu tun.
Beim dritten Glas blieb seine Hand in der Luft hängen, weil sein Blick auf den Prunksäbel an der Wand fiel, den Bolitho hier zurückgelassen hatte, als er auf Styx umgezogen war.
Ein wundervolles Stück Handwerksarbeit, dachte Herrick. Aber wenn es das einzige war, was von Bolitho blieb, dann war es verdammt wenig.
Herrick sprang aus der grüngestrichenen Barkasse der Benbow auf die Pier und wartete darauf, daß sein Bootsführer ihm folgte. Dabei hatte er sich schon verspätet, hatte ursprünglich viel früher an Land sein wollen. Jetzt lag schon mattrotes Abendlicht über Sund und Reede und den Schiffen, die sich friedlich im glatten Wasser spiegelten.
Herrick hatte seiner Frau eine Nachricht gesandt, in der er nur so viel andeutete, wie sie unbedingt wissen mußte. Dulcie war eine vernünftige Frau und verlor bestimmt nicht die Beherrschung. Aber Herrick hatte eigentlich schon bei ihr sein wollen, wenn die Postkutsche aus Falmouth vor die Herberge rollte.
«Fahr zurück an Bord, Tuck«, sagte er zu seinem Bootsführer.»Ich nehme mir nachher eine Mietjolle. Mr. Wolfe weiß, wo ich zu erreichen bin.»
Der Bootsführer tippte an seinen Hut.»Aye, aye, Sir. «Er wußte längst, was geschehen war, dachte dabei aber mehr an Allday als an Bolitho. Beide Bootsführer ihrer Kommandanten, hatten sie einander respektieren gelernt und waren gut miteinander ausgekommen.»Und, Tuck, wenn die Leute zu munkeln anfangen…»
Der Bootsführer nickte.»Aye, Sir, bin im Bilde. Dann komme ich so schnell zurück, daß der Kiel gär nicht erst naß wird.»
Herrick schritt die Pier hinunter; auf den runden, abgewetzten Kieselsteinen, über die schon Legionen von Seefahrern bis zurück zu Drake gegangen waren, klickten seine Schuhe so laut, daß er meinte, es müßte bis zur Herberge zu hören sein.
Als er den Golden Lion mit seinen in der Abendsonne rotglühenden Fensterscheiben vor sich sah, verließ ihn der Mut, und er hielt inne. Im Hof stand eine leere Kutsche, die Pferde waren schon ausgespannt, nur zwei Diener luden Reisetaschen auf das Dach, wohl für die nächste Etappe nach Exeter.
11
zum Ende der Wache