Pascoe stieß Allday in die Rippen.»Dem hat's mein Onkel aber gegeben, was?«murmelte er.

Allday grinste, auf einmal wieder erleichtert.»Da haben Sie bestimmt recht, Mr. Pascoe!»

III Allein

Unter Marssegeln und Klüver lag die Fregatte Buzzard hoch am Wind auf Steuerbordbug; ihre Rahen waren so dichtgeholt, daß es von Deck aussah, als stünden sie mittschiffs.

Bolitho faßte die Finknetze und starrte angestrengt ins Dunkel. Das Tageslicht war so plötzlich erloschen, wie immer in diesen Gewässern; jetzt hörte er, wie der Master und der Erste Offizier die Stellung jedes einzelnen Segels besprachen.

Javal konnte die Navigation anscheinend völlig ihnen überlassen. Sie waren wie er selbst gut ausgebildete, erfahrene und selbständig denkende Seeleute und ausgezeichnet aufeinander eingespielt.

An Javal war kein Falsch und in seiner Kajüte nichts Überflüssiges; für einen erfolgreichen Fregattenkapitän war sie eher spartanisch eingerichtet. Das Mobiliar bestand in der Hauptsache aus schweren Seekisten, die nötigenfalls leicht weggestaut werden konnten.

Javal trat zu Bolitho und kniff die Augen zusammen, weil das Sprühwasser bei jedem Stampfen des Schiffes bis über die Netze hochflog, und sagte:»Die Küste liegt eine Meile Backbord voraus, Sir. Wenn ich die Landzunge schaffen soll, muß ich mich jetzt bald von Land klarhalten oder noch einen Kreuzschlag machen! Ich wollte ja Wind, aber der hier ist zu frisch für meinen Geschmack.»

Er zog eine Steingutkruke aus der Rocktasche.»Möchten Sie einen Schluck, Sir? Genever, der wärmt.»

Glas oder Becher gab es nicht, also setzte Bolitho die Flasche an den Mund. Wie Feuer rann der starke Schnaps über die Zunge.

«Hab neulich einem Blockadebrecher im Kanal ein paar Kisten davon abgenommen«, bemerkte Javal beiläufig.»Besser als nichts. «Er fuhr herum und brüllte:»Paßt aufs Ruder auf, verdammt noch mal! Sonst segeln wir uns noch fest!«Aber dann sprach er ganz ruhig weiter:»Ich schlage vor, wir machen jetzt bald Ernst,

Sir.»

Bolitho lächelte. Dieser plötzliche Temperamentausbruch zeigte, daß Javal nervöser war, als er glauben machen wollte. Sich einer wenig bekannten Küste im Dunkeln zu nähern, war niemals leicht und nur noch schwerer, wenn man einen Vorgesetzten im Nacken hatte.

«Einverstanden«, entgegnete er.

«Mein Erster Offizier leitet die Aktion. Kutter und Barkasse müßten ge nügen; aber für den Fall, daß spanische Truppen landeinwärts liegen und alarmiert werden, schlage ich vor, wir setzen ein kleines Kommando unterhalb des Kaps an Land. «Er zögerte.»Unter Ihrem Leutnant vielleicht?»

«Gewiß. «Bolitho blickte über die Reihen der düster anrollenden Seen.»Mr. Pascoe ist noch jung, aber er hat schon allerhand Erfahrung.»

Javal musterte ihn neugierig.»Ich kümmere mich darum. «Er eilte hinweg und gab den bereits versammelten Männern ein paar kurze Befehle. Blöcke quietschen, Boote wurden ausgeschwenkt, alles klappte scheinbar so mühelos wie bei Tageslicht. Bolitho versuchte, nicht auf das Waffenklirren und den Namensaufruf zu hören.

Allday tauchte aus dem Dunkel neben ihm auf.»Das wird ein schwerer Pull bei dem Wind, Sir«, sagte er. Anscheinend spürte er Bolithos Besorgnis.»Kann ich helfen, Sir?»

Javal eilte vorbei.»Beidrehen!«befahl er und gleich darauf:»Mr. Mears! Klar zum Pieren der Boote!»

«Begleiten Sie Mr. Pascoe, Allday«, sagte Bolitho rasch.»Er befehligt die Jolle.»

Allday hatte verstanden, doch er entgegnete zögernd:»Aber, Sir, mein Platz ist doch bei. «Dann grinste er.»Nein, Sie haben ganz recht, Sir.»

Weißer Gischt brach sich am Bug. Bolitho hörte Pascoes Stimme:»Melde mich ab, Sir.»

Bolitho trat neben ihn.»Paß auf dich auf, Adam. «Er versuchte, leichthin zu sprechen.»Deine Tante würde es mir nie verzeihen, wenn dir was passiert.»

Pascoe sah sich nach den vorbeieilenden Matrosen um. Bleich schimmerten die karierten Hemden.»Ich muß jetzt gehen, Sir.»

Bolitho trat beiseite.»Viel Glück!»

Die Fregatte drehte langsam bei, ihre Segel schlugen unschlüssig; sofort wurden die Boote gefiert, legten ab und pullten zur Küste.

Javal rieb sich die Hände.»Gehen Sie wieder an den Wind und steuern Sie Kurs Südost zu Ost, Mr. Ellis. Und schicken Sie zwei gute Lotgasten in die Rüsten, damit wir uns nicht den Kiel herausreißen!»

Er trat zu Bolitho auf die andere Seite und beobachtete wortlos, bis das Schiff wieder auf Segel und Ruder reagierte. Dann sagte er munter:»Das ist jedesmal das Schlimmste: die Warterei.»

Bolitho nickte und horchte angestrengt auf das Knarren der Riemen. Aber er hörte nichts mehr; es war schon von anderen Geräuschen verschluckt.»Aye«, sagte er.»Ich wäre lieber mitgefahren.»

«Da sei Gott vor«, lachte Javal.»Ich möchte noch manches Jahr in der Flotte dienen und sogar Karriere machen. Aber was hätte ich wohl für Chancen, wenn ich zuließe, daß mein Kommodore drauf-geht?«Der Gedanke schien ihn mächtig zu amüsieren.

«Da könnten Sie recht haben«, entgegnete Bolitho kurz.

Javal räusperte sich und wurde sachlicher.»Es wird gut vier Stunden dauern, bis wir mehr wissen, Sir. Mein Erster ist ein erfahrener Mann, seit achtzehn Monaten bei mir, und hat schon mehrere Fahrzeuge ohne große Verluste gekapert. «Bolitho nickte.»Ich werde Ihre Kajüte noch einmal in Anspruch nehmen, wenn ich darf. Ein kurzer Schlaf sollte mich für morgen frischer machen.»

Jetzt dachte Javal wahrscheinlich: So ein Schwindler! Bolitho konnte es beinahe hören. Schlafen? Auf dem Wasser zu wandeln, wäre ihm leichter gefallen.

Javal sah ihm nach, wie er sich zum Niedergang tastete, und zuckte die Schultern. Der Kommodore machte sich wohl Sorgen über die erste Aktion unter seinem Oberbefehl, dachte er. Es kann ihm doch nichts ausmachen, wenn zwei, drei Mann dabei fallen? Er griff nach seiner Steingutkruke und schüttelte sie am Ohr. Mit dem Genever würde die Zeit ein bißchen schneller vergehen.

Bolitho tastete sich zu dem schwach erhellten Kompaß hin und blickte auf die stark schrägliegende Windrose. Der Bug der Buz-zard zeigte genau nach Nordost. Hilfsbereit sagte der Master:»Entschuldigung, Sir, aber der Wind hat ein oder zwei Strich gedreht. Und geregnet hat's auch.»

Bolitho nickte und schritt weiter, stemmte sich gegen den Druck des feuchten Windes, der schräg von achtern kam. Die Morgendämmerung war nahe, schon konnte er die Neunpfünder auf dem Achterdeck sehen — wie schwarze Balken ragten ihre Rohre unter der Luv-Laufbrücke hervor.

Javal stand an der Achterdecksreling, ohne Hut, sein Haar peitschte im Wind.»Bis jetzt nichts Neues«, sagte er und sah Bo-litho kurz und prüfend an.»Gut geschlafen, Sir?»

Bolitho stützte sich auf die Reling und spürte, wie das Schiff unter ihm zitterte gleich einem Tier, das alle seine Kräfte anspannte. Er hätte keine Sekunde länger in der Kajüte bleiben können. Die Zeit war ihm zu einer Ewigkeit geworden und Javals Quartier zu einem feuchten, schwankenden Gefängnis.»Danke, ein bißchen wenigstens«, sagte er.

«An Deck! Land in Luv voraus!»

«Die Lotgasten wieder in die Rüsten, Mr. Ellis!«befahl Javal erregt.»Aber schnell!«Etwas ruhiger erläuterte er dann:»Das wird der eine Landarm der Bucht sein. Wir haben während der Nacht in einem Bogen vor ihm gekreuzt. Weil dieser verdammte Wind immer mehr drehte, dachte ich schon, wir würden auflaufen.»

«Aha«, sagte Bolitho. Er wandte den Kopf ab, damit Javal nicht sah, wie ihm zumute war. Wie war die Aktion gelaufen? Warum war immer noch kein Signal, kein Zeichen des Erfolgs zu sehen?

«Mears hätte wenigstens einen Schuß oder eine Rakete abfeuern können«, bemerkte Javal. Selbst er wurde anscheinend unruhig.

«Verdammt, in einer Stunde sind wir von Land aus zu sehen.»

Bolitho hörte nicht hin. Er versuchte sich vorzustellen, was jenseits dieses undeutlichen Schattens lag, den der Ausguck als Land angesprochen hatte. Wenn Leutnant Mears und seine Männer den Schoner nicht gekapert hatten oder aus irgendeinem Grunde gar nicht an ihn herangekommen waren, dann mußten sie wohl oder übel zur Buzzard zurückrudern. Bei dem steifen Wind und nach einer ganzen Nacht an den Riemen würden sie Hilfe brauchen, und zwar schnell.


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