Bolitho spürte, daß sie gespannt auf sein nächstes Wort warteten.»Sie übernehmen das, Captain Javal. Ich lasse der Harebell signalisieren, daß sie die Vorhut übernimmt, bis die Sache erledigt ist. «Er sah Herrick an.»Ich werde mit einer Anzahl unserer Leute auf die Buzzard umsteigen, sagen wir, mit zwanzig zuverlässigen Matrosen. Keine Seesoldaten — Stiefel und Musketen können wir dabei nicht gebrauchen. Mr. Javal, Sie sind doch damit einverstanden?»

Javal grinste wölfisch.»Aber gern!»

«Und das Geschwader, Sir?«fragte Herrick.

«Ich gebe Ihnen noch detaillierte Anweisungen. «Absichtlich wandte er sich damit nur an Herrick und zeigte damit Probyn und Farquhar, wem sein Vertrauen in erster Linie galt.»Sie können morgen näher unter Land gehen, wenn Sie es für richtig halten. Wenn nicht, werden wir einen Treffpunkt festlegen, der in Captain Javals Angriffsplan paßt.»

Mit einem raschen Blick musterte er ihre Gesichter. Farquhar: kalt und ausdruckslos; aber die nervös auf die Tischplatte klopfenden Finger verrieten seine wahren Gefühle. Vermutlich dachte er, daß er den Auftrag besser hätte ausführen können als Javal. Und besser auch als Herrick. Probyn, auf dessen schwammigem Gesicht der Zweifel stand, beobachtete Javal, als wolle er etwas entdecken. Vielleicht dachte er auch an das Prisengeld für Javal, wenn dieser den Schoner kaperte; passierte ihm dagegen etwas, dann würde sein Anteil dem Geschwader zufallen.

Und Herrick? Dem gelang es nie, seine Bedenken zu verbergen. Sorgenvoll studierte er die Karte, die Brauen so stark zusammengezogen, daß seine Augen beinahe verschwanden; er sah vielleicht das ganze Unternehmen schon in Blut und Unheil enden.

Aber Javal hatte solche Bedenken nicht.»Dann schlage ich vor, wir fangen gleich an, Sir, sonst ist der Vogel ausgeflogen«, sagte er händereibend. Falls es ihm nicht paßt, daß sein Kommodore mitkommt, dachte Bolitho, dann verbirgt er das ausgezeichnet.

«Ja«, antwortete er,»gehen Sie wieder auf Ihre Schiffe, Gentle-men. Mein Flaggkapitän signalisiert Ihnen die endgültigen Befehle. «Er senkte die Stimme.»Eins möchte ich klarstellen: das Geschwader wirkt zusammen. Ich wünsche nicht, daß sich jemand auf tollkühne Einzelaktionen einläßt; aber ich wünsche auch kein Zögern, wenn die Gelegenheit günstig ist.»

Während sie hinauseilten, wies er Herrick eindringlich an:»Geben Sie es durch, Thomas: zwanzig Freiwillige und ein Boot für mein Übersetzen auf die Buzzard, so schnell wie möglich. Lassen Sie Allday das machen, wenn Sie wollen. «Er sah auf: Herrick zog immer noch ein verzweifeltes Gesicht.»Nun?»

«Müssen Sie unbedingt mit, Sir? Lassen Sie doch mich die Sache übernehmen.»

Bolitho sah ihn forschend an. Herrick hatte wohl mehr Angst davor, das Geschwader befehligen zu müssen, als vor der Aktion, ja sogar vor der Todesgefahr.

«Nein. Javal ist ein harter Mann. Und zwei Kommandanten auf einem Schiff — das tut nie gut. Unbesorgt, alter Freund, ich habe nicht die Absicht, mich umbringen zu lassen oder in einem spanischen Gefängnis zu verfaulen. Aber wir müssen einen Anfang machen. Müssen unseren Leuten zeigen, daß wir nicht nur den täglichen Dienstbetrieb, sondern auch einen Sondereinsatz kommandieren können.»

Impulsiv faßte er Herricks Arm; der war starr wie ein Teakholzbrett.»Dies gilt für uns beide, das wissen Sie doch auch.»

Herrick seufzte tief auf.»Ich sage mir immer wieder, daß ich mich über Ihre Einfälle nicht wundern darf. Seit ich mich erinnern kann. «Er schüttelte den Kopf.»Ich gebe Allday sofort Bescheid. «Er wandte sich rasch um, und seine plötzliche Entschlossenheit wirkte beinahe rührend.»Aber ich werde sehr froh sein, wenn Sie wieder an Bord sind.»

Lächelnd ging Bolitho in seine Schlafkajüte und suchte dort in der großen Seekiste nach seinen Pistolen. Als er vor dem offenen Deckel kniete, holte das Schiff stark über; das scharfe Klappern von Blöcken und Taljen verriet, daß der Wind auffrischte. Er schaute auf und sah sich in dem kleinen Wandspiegel — rebellisch hing die schwarze Haarsträhne übers rechte Auge, wo die alte Narbe war. Und der dumpfe Schmerz in der rechten Schulter wurde auf einmal stechend. Es war tatsächlich, als solle er daran erinnert werden, was im Bruchteil einer Sekunde passieren konnte; an den kleinen Schritt zwischen dem Leben und dem Nichts.

Klirrend trat Allday in die Kajüte nebenan; der Griff des Entersäbels glitzerte unter seinem blauen Jackett. Er nahm bereits Boli-thos Degen vom Gestell.»Division angetreten, Sir«, grinste er.»Lauter alte Kämpfer. Hab sie selbst ausgesucht.»

Bolitho ließ sich den Degen umschnallen.»Keine Freiwilligen?«fragte er milde erstaunt.

Allday grinste nur um so breiter.»Aber natürlich, Sir. Hab ihnen nur vorher kurz meinen Standpunkt klargemacht, sozusagen.»

Bolitho schüttelte den Kopf und ging hinaus, ohne sich umzusehen.

Ein Kutter dümpelte bereits unter den Großrüsten, auf seinen Bänken drängten sich die ausgesuchten Matrosen mit ihren Waffen zwischen die Rudergasten.

Bolitho sah sich auf dem Achterdeck um, wo die Männer an den Brassen und oben auf den Rahen Vorbereitungen trafen, um sofort mehr Segel zu setzen, sobald der Kutter zurückkehrte.

Herrick stand bei der Ehrenwache an der Fallreepspforte. Er sah wieder ganz gelassen aus.

Bolitho wollte ihm noch etwas Tröstliches sagen, etwa daß er gut auf die Lysander aufpassen solle, bis er wieder zurück sei. Aber die Lysander war Herricks Schiff, nicht seins.

Also sagte er nur leichthin:»Bis bald, Captain Herrick. «Dann kletterte er durch die Pforte in das wartende Boot hinunter. Als er in der Flicht saß und wieder bei Atem war, hatte der Kutter schon abgelegt, die Riemen hatten ihren Takt gefunden und zogen gleichmäßig durch die kabbelige See.

Da erst bemerkte Bolitho, daß Pascoe ebenfalls im Boot saß. Seine dunklen Augen blitzten vor Erregung, und er winkte jemandem an Bord zu.

Wütend flüsterte Allday ihm ins Ohr:»Ich wußte, daß Sie ihn zurücklassen wollten, Sir. Hat ja keinen Sinn, alle Eier in einen Korb zu tun, sozusagen. «Er wandte sich um, so daß die Rudergasten sein Gesicht nicht sehen konnten.»Aber Mr. Gilchrist hat ihn eingeteilt.»

Bolitho nickte. Wenn er noch irgendwelche Zweifel über He r-ricks Ersten Offizier gehabt hatte — jetzt nicht mehr. Dadurch, daß er Pascoe zu dieser Aktion einteilte, hatte er zweierlei erreicht. Erstens konnte er behaupten, daß Bolitho seinen Neffen mitgenommen hätte, wäre eine Bevorzugung. Er würde seinen vollen Anteil am Ruhm ernten, wenn alles klappte. Und wenn nicht? Er sah den Jungen an. So aufgeregt war er selbst oft gewesen mit achtzehn Jahren. Wenn es aber nicht klappte, dann würde sich Alldays Kommentar als nur allzu treffend erweisen.

Er starrte über Pascoes Schulter auf die Fregatte, deren Maststengen im Winde kreisten.

«Bei Gott«, sagte Pascoe munter,»so ein Schiff wie die Buzzard möchte ich auch kommandieren!«Er sah Bolithos Miene und fügte hinzu:»Eines Tages, meine ich.»

«Wir wollen erst mal diese Sache hier erledigen, Mr. Pascoe«, erwiderte Bolitho;»aber ich kann Ihre Gefühle verstehen.»

Allday betastete seinen Entersäbel und blickte von einem zum anderen. Jetzt mußte er also auf zwei aufpassen. Und wenn einem der beiden etwas zustieß, dann würde er mit diesem verdammten Leutnant Gilchrist abrechnen, ganz egal, was daraus wurde.

Der letzte Matrose war kaum an Bord der Buzzard, da schrie Javal auch schon:»Aufentern und Segel setzen! Los, Mr. Mears, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns, ehe es Nacht wird!»

Er sah Bolitho an und lüftete den Hut.»Herzlich willkommen an Bord, Sir. Ich fürchte nur, Sie werden mein Quartier ein bißchen eng finden.»

Bolitho erwiderte sein Lächeln und sagte gleichmütig:»Ich habe seinerzeit dreimal solche Schiffe kommandiert, Captain Javal; aber trotzdem vielen Dank für die Erinnerung.»


Перейти на страницу:
Изменить размер шрифта: