Verbindung zum Schiff und der einzigen Lebensweise, welche die meisten von ihnen kannten, beunruhigte sie.

«Schicken Sie Ihre Vorhut los, Major Leroux«, sagte er.

Der Major nickte.»Wir brauchen auch ein paar gute Männer als Flankenschutz. «Er eilte weg, und in kürzester Zeit war die ganze Landeabteilung auf dem Vormarsch.

Das Gelände war ungefähr so, wie Grubb und Plowman es geschildert hatten, doch erwies sich der Pfad, der durch die Hochfläche über dem Strand führte, rauher als erwartet. Wild fluchten die Männer in der Finsternis; ein paarmal hörte Bolitho, wie Nepean oder ein Sergeant drohend Ruhe befahlen. Nach einer Stunde etwa ließ Bolitho rasten, und während die Männer zu beiden Seiten des Pfades hockten, rief er seine Offiziere zusammen.

«In fünf Stunden wird es heller. «Midshipman Luce schüttelte Steinchen aus seinem Schuh; und wieder dachte Bolitho an Pascoe. In der Dunkelheit sah der Midshipman ihm sehr ähnlich. Sie waren gute Freunde gewesen — nein, sie waren es noch.

«Nach unseren Berechnungen müssen wir eine Felsrinne überqueren und sind dann ganz nahe an der Bucht. Auf der Karte hat der uns am nächsten liegende Arm der Bucht lockeren, krümeligen, von Hochwasser zermahlenen Boden. Wenn es eine Küstenbatterie gibt, steht sie also wahrscheinlich auf dem anderen Landarm.»

«Das ist viel zu weit! Das schaffen wir nie, ehe die Lysander mit dem Angriff beginnt«, unterbrach Gilchrist erregt.

«Sprechen Sie mit mir, Mr. Gilchrist?«Es klang so gefährlich sanft, daß Luce rasch wieder in seinen Schuh fuhr und reglos lauschte.

«Entschuldigung, Sir. Es war nur ein Gedanke. «Gilchrist geriet etwas aus der Fassung.

«Freut mich zu hören. «Bolitho sah die anderen an.»Aber wir müssen nach Möglichkeit alle Geschütze ausschalten, die der Ly-sander gefährlich werden können, ehe sie den Angriff beginnt. Die Spanier mögen ja auf unseren Besuch nicht vorbereitet sein; aber sobald der erste Schuß fällt, wird aus dieser Bucht das reinste Hornissennest.»

Leroux schnallte sein Koppel fester.»Ganz meine Meinung, Sir. Und je eher wir durch diese Rinne sind, um so lieber ist es mir.»

Bolitho sah sich um, er spürte Staub und scharfen Sand im Gesicht. Der Wind hielt sich also. Hoffentlich war Fortuna, wie Herrick es immer nannte, ebenso zuverlässig.

«Also dann weiter!«befahl er.

Leroux ging nach vorn, gab ein paar geflüsterte Kommandos, und die Seesoldaten formierten sich wieder auf dem Pfad. In der Dunkelheit wirkten ihre weißen Brustriemen wie eine lange, sich windende Schlange von weißen Kreuzen.

Immer noch rührte sich nichts vor ihnen in der Nacht: kein streunender Hund, kein schlaftrunkener Fischer, der sich zu seinem Boot hinuntertastete, weil er bei Morgengrauen auf Fang wollte. Verlassen und leer lag die ganze Küste da.

Merkwürdig — Bolitho konnte ganz zusammenhängend denken; innerlich und äußerlich beinahe entspannt schritt er neben der Marschkolonne dahin. Wie oft schon war er an dieser Küste in beiden Richtungen entlanggesegelt, jetzt marschierte er hier. Im Geist sah er die Namen auf der Karte vor sich, wie Gedenksteine am Weg: Cartagena, knapp vierzig Meilen entfernt. Alicante, Valencia — an jede Stadt hatte er Erinnerungen. Vor fünf Jahren allerdings war Spanien noch mit England verbündet gewesen.

Er merkte, daß ein Befehl flüsternd nach hinten durchgegeben wurde, eilte nach vorn und sah, daß Leroux, Nepean und ein Unteroffizier in leiser Beratung beieinanderstanden.

Leroux machte keine überflüssigen Worte.»Das ist Corporal Manners, Sir, ein in jeder Hinsicht erfahrener Soldat. Er hat den Vortrupp geführt. «Ernst blickte er Bolitho an. Möglichst ruhig, obwohl hier bestimmt etwas sehr schiefgegangen war, fragte dieser:»Ihr Vortrupp hat die Rinne erreicht?»

Leroux nickte.»Berichten Sie dem Kommodore, Manners.»

Der Marine-Infanterist sprach Cornwalldialekt, Heimatklänge für Bolitho.»Die Rinne ist schon da, Sir. Aber da muß 'n großer Einsturz gewesen sein. Es geht fast senkrecht hinunter, hoch wie die Wand einer Kathedrale. Ich war nämlich Hauer im Zinnbergwerk in Cornwall, ehe ich anmusterte, Sir.»

«Dann wissen Sie, wovon Sie reden. «Bolitho sah an ihnen vorbei und suchte das Unerwartete zu verarbeiten.

«Ich könnte ja probieren, an 'ner Wurfankerleine hinunterzu-klettern, Sir.»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Im Dunkeln ist das zu gefährlich. «Er blickte Leroux an.»Was meinen Sie?»

«Es würde Stunden dauern«, antwortete der Major.»Und selbst wenn wir es schafften, wären die Männer hinterher zu erschöpft für ein Gefecht.»

«Und die Lysander wäre schon in der Bucht.»

Verzweiflung überkam Bolitho. Blind war er gewesen und zu dumm, ein natürliches Hindernis einzuplanen, das alle Vorbereitungen zu bloßer Zeitvergeudung machte und nur unnütz Menschenleben kostete. Er hatte sich auf die spärlichen Angaben der Karte und auf seinen Übereifer verlassen. Und auf — er stieß sich an dem Wort — auf seinen Rachedurst.

«Wir müssen die Rinne umgehen, Sir. «Leroux blickte ihn gespannt an; er war ebenso betroffen.»Jedoch…»

«Eben, Major Leroux. Dieses >jedoch< ist das Problem.»

Leutnant Nepean warf ein:»Dann umgehen wir eben die Verteidigungsanlagen der Bucht und stürmen die Batterie von der Landseite her, Sir.»

Leroux seufzte.»Geben Sie durch an Sergeant Gritton: Weitermarsch hinter dem Vortrupp her. Etwas anderes bleibt uns jetzt auch gar nicht mehr übrig, Sir«, sagte er leise zu Bolitho. Es hätte wie ein Vorwurf klingen können, aber es war keiner.

Gilchrists lange Gestalt tauchte aus dem Dunkel auf.»Ich höre, wir können nicht durch die Rinne, Sir.»

«Stimmt. «Bolitho versuchte zu erkennen, wie Gilchrist darauf reagierte.»Also müssen wir doch unseren Gewaltmarsch machen.»

Wieder stapften die Marine-Infanteristen an ihm vorbei, die Musketen umgehängt; jeder starrte mit gebeugtem Kopf auf die Beine seines Vordermannes. Die meisten wußten gar nicht, warum sie überhaupt hier waren. Aber sie hatten Vertrauen. Es war, als riefe ihm jemand dieses Wort zu. Das war alles, was sie hatten, und er hatte es enttäuscht.

«Ich mache mir nur Sorgen um das, was danach kommt, Sir«, sagte Gilchrist dumpf, wandte sich um und nahm seinen Platz an der Spitze der nächsten Gruppe wieder ein.

«Dieser Mann fällt mir auf die Nerven, Sir«, knurrte Leroux.

Bolitho blickte ihn von der Seite an.»Dienstlich ist Captain Herrick durchaus mit ihm zufrieden.»

Leroux hieb mit seinem Säbel nach einem Busch.»Ich rede nicht gern über andere Leute hinter ihrem Rücken.»

«Erinnern Sie sich noch an Ihr Wort von vorhin, Major?«Wieder ein wütender Hieb Leroux' nach einem Strunk Heidekraut. »Jedoch…»

«Ich weiß, daß Captain Herrick schon früher mit Ihnen gefahren ist, Sir. Das ganze Geschwader weiß es. Er ist ein feiner Mann und gerecht. Auf einem Linienschiff beides zusammen zu sein, ist gar nicht so leicht.»

«Da haben Sie vollkommen recht, Major. Thomas Herrick ist seit der amerikanischen Revolution mein Freund. Er hat mir mehr als einmal das Leben gerettet.»

«Und Sie ihm auch, möchte ich annehmen, Sir. «Leroux warf einen raschen Blick auf die Reihe seiner keuchenden Seesoldaten.»Herrick hat eine Schwester, wissen Sie das, Sir?»

«Ja. Das arme Mädchen hat viel auszuhalten. Auch das weiß ich.»

«Ja, sie ist gelähmt. Ich habe sie kennengelernt, als ich für Cap-tain Herrick in Kent war, bei der Neuausrüstung der Lysander. So ein hübsches Mädchen, aber mit gelähmten Gliedern — ein herzzerreißender Anblick. Mr. Gilchrist ist mit ihr verlobt«, schloß er langsam.

Bolitho packte den Degengriff fester und starrte in die Dunkelheit, bis ihm die Augen schmerzten. Er war so mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt gewesen, daß er sich um die übrige Welt, um die Welt Herricks, überhaupt nicht gekümmert hatte. Herrick hatte seine dienstliche Laufbahn als armer, unprivilegierter Mann begonnen. Im Vergleich zu Offizieren wie Farquhar — oder schließlich auch zu ihm, Bolitho, selbst — war er immer noch arm. Im Lauf der Jahre hatte er sich zwar etwas erspart, seine mageren Prisengelder mit dem Bonus bei seiner Beförderung zum Fregattenkapitän etwas aufgebessert, aber von einem Vermögen konnte nicht die Rede sein.


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