San Martin schlug die Eingangsklappe auf, trat in das dämmerige Zelt und musterte Brot und Wein.»Gut«, sagte er,»sehr gut.»

«Dieses Trompetensignal eben«, fragte Pascoe,»bedeutete das Gefahr?»

San Martin sah ihn forschend an.»Unwichtig. Für Sie jedenfalls. «Er ging im Zelt herum wie ein Tier im Käfig.»Ich wollte Sie noch heute an Bord bringen lassen. Aber damit muß ich nun bis morgen warten. Ich schicke Sie nach Toulon. Der französische Admiral hat mehr Zeit als ich für solche Dinge.»

«Es ist eben Krieg, Sir«, sagte Allday ernst.

San Martin sah ihn lange an.»Auf einem guten Pferd in die Schlacht zu reiten, das ist Krieg«, sagte er schließlich.»Aber nicht, dieses dreckige Gesindel hier zu befehligen. «Er blieb am Zelteingang stehen.»Ich werde Sie wahrscheinlich nicht wiedersehen.»

Sie warteten, bis seine Schritte verhallt waren; dann sagte Allday:»Gott sei Dank!»

Pascoe fuhr sich durchs Haar, um Staub und Sand zu entfernen.»Er behält seine Schiffe bis morgen hier«, überlegte er laut.»Also muß unser Schiff ganz in der Nähe sein.»

Allday blickte zur Zeltwand, die von dem heißen Wind nach innen gedrückt wurde.

«Wenn der Wind so bleibt wie jetzt, Mr. Pascoe, dann kommt die Lysander bestimmt in die Bucht.»

«Sind Sie denn sicher, daß es die Lysander ist?«fragte Pascoe eindringlich.

«Sie etwa nicht?»

«Doch«, nickte Pascoe.

«Dann kommt sie in der Nacht oder bei Morgengrauen, schätze ich«, sagte Allday und trank einen Schluck Wein.»Also müssen wir die Köpfe zusammenstecken und uns was ausdenken, um sie zu warnen.»

Er dachte daran, was Pascoe vorhin gesagt hatte: Es wird lange dauern, bis wir wieder in England sind — wenn überhaupt. Was sie unternehmen konnten, um das Schiff zu warnen, und was das Ergebnis auch sein würde — eins war sicher: Sie würden beide teuer dafür bezahlen müssen.

V Der einzige Ausweg

Bolitho zog sich den Dreispitz fester in die Stirn. Die schwere, vierunddreißig Fuß lange Barkasse der Lysander stampfte in den kabbeligen Wellen; Gischt durchweichte die Insassen. Er spähte nach achtern, doch das Schiff war bereits im Dunkel verschwunden; er konnte gerade noch die weißen Schaumstreifen an den Riemen der beiden Kutter sehen, die mit ihm auf gleicher Höhe lagen. Trotz der sorgfältigen Vorbereitungen, obwohl die Eichenriemen mit öligen Lappen umwickelt und alle Waffen gut verstaut waren, kamen ihm die Geräusche schrecklich laut vor.

Er wandte seine Aufmerksamkeit jetzt nach vorn. Dort konnte er eben noch den Umriß der Gig ausmachen und gelegentlich ein phosphoreszierendes Aufspritzen, wenn ein Matrose im Bug mit dem Lot die Wassertiefe kontrollierte.

Das Kommando in der Gig führte Plowman, Erster Steuermannsmaat der Lysander, vom Master selbst empfohlen. Wenn Grubb nicht selbst mitmachte, dann war Plowman der Nächstbeste, dachte Bolitho. Grubb hatte ihm mit seinem tiefen Brummen anvertraut, Plowman hätte in Friedenszeiten auf einem walisischen Handelsschiff diese Küste befahren.»Das behauptet er wenigstens, Sir. Aber ich schätze, er hat mit den Arabern 'n bißchen schwarzes Elfenbein gehandelt.»

Sklavenhändler oder nicht — jedenfalls führte Plowman die Flottille der überladenen Boote ohne die geringste Unsicherheit geradewegs auf die Küste zu.

Seltsam: je wichtiger die Arbeit, um so fragwürdiger ist der Mann, den man dazu am nötigsten braucht, überlegte Bolitho.

Gilchrist, der neben ihm saß, konnte offenbar seinen knochigen Körper nicht ruhig halten, er klemmte den Degen zwischen die Knie und keuchte nervös.

Bolitho versuchte, nicht an die Möglichkeit einer Katastrophe zu denken; nicht an die Musketen und Säbel, die vielleicht da drüben in der Finsternis schon darauf warteten, ihn und seine Männer noch in der Brandung niederzumachen. Wahrscheinlich dachte Gilchrist mehr oder weniger dasselbe.

In einem Kutter war ein Rudergast aus dem Takt gekommen; nervös rief Steere, der Fünfte Offizier:»Aufpassen da! Zu — gleich!»

Die Boote waren überladen mit Matrosen und Seesoldaten, und das Pullen kostete eine Menge Kraft. Da war es nicht zu vermeiden, daß die Riemen quietschten, die Männer keuchten und fluchten.

«Die Gig hat beigedreht, Sir«, rief der Bugmann.

Bolitho beugte sich vor: jetzt sah er, daß die langen weißlichen Streifen nicht mehr von Plowmans Riemen kamen, sondern von der Brandung stammten.

«Auf Riemen, alle Mann!«Der Bootssteuerer der Barkasse packte seine Ruderpinne fester.»Achtung im Boot!»

«Verdammt, ich sehe überhaupt nichts«, fluchte Gilchrist.

Beide Kutter stampften heftig. Die hellen Bootskörper, leuchtend in der Finsternis, wurden von der Strömung abgetrieben.

Stahl klirrte, Stiefel scharrten: die Marine-Infanteristen machten sich zum Aussteigen fertig. Jetzt brauchte nur einer seine Muskete irrtümlich abzufeuern oder gegen den Matrosen zu fallen, der die Reißleine der auf einem Dreifuß montierten Drehbasse hielt, und mit aller Heimlichkeit war es vorbei.

Bolitho hielt den Atem an, als Plowmans Gig aus der Finsternis auftauchte, an die Barkasse stieß und kaum dabei erzitterte. Hände streckten sich aus und hielten die Boote fest, dumpf polternd tauchte Plowman in der Achterplicht auf und murmelte:»Das ist 'n ganz ordentlicher Strand, Sir. «Weiß glänzten seine Zähne, und er atmete so ruhig, als mache ihm die Sache Spaß. Vielleicht dachte er an die Zeiten, als er mit seiner Crew hier lebende Fracht übernommen hatte.»Nicht sehr breit, aber so, wie das Wasser aussieht, sind wir hier sicherer, als wenn wir noch weiter suchen.»

«Recht so.»

Bolitho versuchte, nicht an die Zeit zu denken. Es war wie ein inneres Stundenglas, in dem der Sand gnadenlos abrann.»Dann fahre ich also vor«, sagte Plowman und wandte sich um;

doch Bolitho hielt ihn an.»Sobald wir an Land sind, übernehmen Sie die Wache bei den Booten, Mr. Plowman. Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht. Ich werde dafür sorgen, daß es Ihnen nicht vergessen wird.»

Plowman protestierte:»Einer von meinen Leuten kann doch die Boote bewachen, Sir!»

«Nein. Wir brauchen Sie später noch. Ich will nicht, daß mir der Mann, der Mr. Grubbs rechte Hand ist, in Spanien verlorengeht. Der Master würde mir das nie verzeihen!»

Ein paar Männer lachten leise, und Plowman seufzte:»Da haben Sie vielleicht recht, Sir.»

Fünfzehn Minuten später liefen die Gig und die große Barkasse auf harten Sand, Matrosen sprangen über Bord und bis zum Gürtel ins Wasser, Waffen wurden herausgereicht, das Ruder belegt, Bo-litho und Gilchrist rannten, Degen in der Hand, den Strand hinauf.

Dies war der kritische Augenblick. Bolitho verhielt bei einem Felsbrocken, starrte in die Finsternis, versuchte, über Wind und See etwas zu erlauschen.

Aber es kam kein Anruf, keine Salve knatterte mit blitzendem Mündungsfeuer aus dem Dunkel. Und mit jeder kostbaren Minute kamen mehr Männer aus dem flachen Wasser und ordneten sich eilig zu einer Marschkolonne. Immer mehr weißes Lederzeug schimmerte fahl in der Nacht, und als erst die Kutter eintrafen, die draußen noch auf Anzeichen von Gegenwehr gewartet hatten, war die kleine Bucht gedrängt voll stummer Gestalten.

Major Leroux eilte den Strand herauf.»Alles angetreten, Sir.»

«Recht so. Lassen Sie die Boote in Strandnähe warten. Plowman soll eine Stunde verstreichen lassen und dann zum Schiff zurückrudern, wie besprochen.»

Leroux winkte seiner Ordonnanz. Eine Stunde mußte ausreichen, um festzustellen, ob sie eine Erfolgschance hatten.

Während die Boote von ihren erschöpften Besatzungen ein Stück aus der Brandung gerudert wurden, konnte Bolitho die allgemeine Unsicherheit der Zurückbleibenden direkt spüren. Trotz ihres militärischen Status' waren die Marine-Infanteristen keine Landratten. Der Gedanke, sich allein auf fremdem Terrain zu befinden, ohne


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