Mir fäl t es schwer, fröhlich zu sein.
Eine Stunde später sitze ich neben Roberto, und wir fahren einen mir unbekannten neuen Weg nach Baragoi im Turkana-Gebiet und erst dann in Richtung Maralal.
Diese Straße ist nicht so gebirgig, und den Vierradantrieb benötigen wir fast nie.
Dafür gibt es viele kleine, spitze Steine, die Platten verursachen können, und die Strecke ist doppelt so lang, also fast vier Stunden bis Maralal. Kurz nach vierzehn Uhr treffen wir dort ein. Ich bedanke mich höflich und gehe ins Lodging, um meine Tasche abzustel en. Die Nacht werde ich dort verbringen, weil der Bus erst um sechs Uhr morgens fährt. Zum Zeitvertreib schlendere ich durch Maralal, als ich plötzlich meinen Namen höre. Erstaunt drehe ich mich um und erblicke zu meiner Freude meinen Retter Tom. Es tut gut, ein bekanntes Gesicht unter den vielen mich dauernd musternden Gesichtern zu entdecken.
Ich erzähle ihm von meinem Vorhaben. Er gibt mir zu verstehen, daß es schwer werden wird, weil in Kenia nicht viele gebrauchte Autos angeboten werden. Er werde sich aber umhören. Vor zwei Monaten habe jemand in Maralal versucht, seinen Landrover zu verkaufen. Viel eicht sei der noch zu haben. Wir verabreden uns für neunzehn Uhr in meinem Lodging.
Das wäre das beste, was mir passieren könnte! Tatsächlich erscheint Tom bereits eine halbe Stunde früher und meint, wir müßten sofort diesen Landrover anschauen.
Erwartungsvoll gehe ich mit ihm. Der Landrover ist zwar schon alt, aber genau das, was ich gesucht habe. Ich verhandle mit dem fetten Besitzer, der dem Kikuyu-Stamm angehört. Nach langem Hin und Her einigen wir uns auf 2500 Franken. Ich kann es kaum glauben, versuche aber cool zu bleiben, als wir per Handschlag das Geschäft besiegeln. Ich erkläre ihm, daß das Geld in Mombasa sei und ich in vier Tagen wieder zurückkäme, um das Auto zu bezahlen. Er dürfe es um keinen Preis weitergeben, ich würde mich darauf verlassen. Anzahlen will ich nicht, da der Verkäufer nicht sehr vertrauenswürdig wirkt. Mit einem Grinsen versichert er mir, noch vier Tage zu warten. Mein Retter und ich verlassen den Kikuyu und gehen essen. Glücklich darüber, einige Sorgen weniger zu haben, verspreche ich ihm, ihn und seine Frau einmal auf eine Safari einzuladen.
Die Reise nach Mombasa verläuft ohne Schwierigkeiten. Priscilla freut sich riesig, als ich im Vil age auftauche. Wir erzählen uns viel. Über meine Mitteilung jedoch, daß ich mein Häuschen hier auflösen und für immer zu den Samburus ziehen will, ist sie traurig und auch etwas besorgt. Alles, was ich nicht mitnehmen kann, schenke ich ihr, sogar mein wunderbares Bett.
Bereits am nächsten Morgen fahre ich nach Mombasa. Dort hebe ich den nötigen Geldbetrag ab, was nicht einfach ist. So ein Bankgeschäft erfordert viel Geduld.
Nach fast zwei Stunden bin ich im Besitz eine großen Menge von Geldscheinen, die ich an mir zu verstecken versuche. Auch der Banker meint, ich solle bloß aufpassen, das sei ein Riesenvermögen hier, und für so viel Geld sei schnell ein Mord passiert.
Mir ist nicht wohl, als ich die Bank verlasse, weil viele wartende Menschen mich beobachtet haben. Über der einen Schulter trage ich die schwere Reisetasche, gefüllt mit den restlichen Kleidern aus Mombasa. In der rechten Hand halte ich einen Schlagstock, wie ich es von Rambo-Jutta gelernt habe. Im Notfall würde ich ihn sofort gebrauchen. Ständig wechsle ich die Straßenseite, um feststel en zu können, ob mir jemand aus der Bank folgt. Erst nach etwa einer Stunde traue ich mich, den Busbahnhof aufzusuchen, um das Ticket für den Nachtbus nach Nairobi zu lösen.
Danach gehe ich zurück ins Zentrum und setze mich ins Hotel Castel. Es ist das teuerste in Mombasa und steht unter Schweizer Leitung. Endlich kann ich wieder einmal europäisch essen, al erdings zu gigantischen Preisen. Aber was soll's, ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal wieder zu Salat oder Pommes frites komme.
Pünktlich fährt der Bus ab, und ich freue mich, bald wieder zu Hause zu sein und Lketinga zu beweisen, daß er mir vertrauen kann. Nach nur gut eineinhalb Stunden macht der Bus einen Schlenker und steht kurz darauf bockstill. Es wird laut, al e sprechen durcheinander. Der Fahrer stellt fest, daß der Bus am Hinterrad einen Platten hat. Nun steigen al e aus. Einige setzen sich an den Straßenrand und holen Tücher oder Wolldecken hervor. Es ist stockfinster, weit und breit keine Siedlung. Ich spreche einen Mann mit Brille auf Englisch an, da ich annehme, einer mit Goldbrille spricht diese Sprache. Tatsächlich versteht er mich und meint, es könnte länger dauern, da auch das Reserverad kaputt sei und wir nun warten müßten, bis ein Fahrzeug aus der anderen Richtung kommt, um jemanden nach Mombasa mitzunehmen. Dieser sol veranlassen, daß ein Ersatzreifen hergeschickt wird.
Das kann doch nicht wahr sein, daß ein rappelvoller Bus ohne intakten Ersatzreifen in der Nacht auf eine so lange Strecke geschickt wird! Die meisten scheint es nicht sonderlich zu stören. Sie sitzen oder liegen einfach am Straßenrand.
Es ist kalt, und ich friere. Nach einer dreiviertel Stunde kommt endlich aus der anderen Richtung ein Fahrzeug. Unser Fahrer stellt sich auf die Straße und fuchtelt wild mit den Armen. Der Wagen hält, ein Mann steigt ein. Nun heißt es wieder warten, mindestens drei Stunden, da wir ja schon eineinhalb Stunden unterwegs waren.
Beim Gedanken an meine lange Heimfahrt werde ich panisch. Ich nehme meine Tasche und stelle mich entschlossen auf die Fahrbahn, um das nächste Auto anzuhalten. Es dauert nicht lange, bis ich in der Ferne zwei helle Scheinwerfer sehe.
Ich winke wie verrückt. Ein Mann gibt mir eine Taschenlampe und sagt, ohne sie sei ich tot. Am Lichtpegel erkenne er, daß es ein Bus sei. Tatsächlich quietschen kurz vor mir die Reifen, und ein Bus der Maraika-Safari hält. Ich erkläre, daß ich so schnel wie möglich nach Nairobi müsse und frage, ob ich mitfahren dürfe. Es scheint ein indisches Unternehmen zu sein, denn im Bus sind die meisten der Fahrgäste Inder. Nachdem ich nochmals den Fahrpreis entrichtet habe, kann ich mitfahren. Gott sei Dank bin ich mit meinem vielen Geld von der dunklen Straße weg. Ich döse vor mich hin und habe vermutlich schon geschlafen, als es in dem ruhigen Bus wieder laut wird. Verschlafen spähe ich nach draußen in die Finsternis und stel e fest, daß der Bus ebenfalls am Straßenrand steht. Viele Mitfahrer sind schon ausgestiegen und stehen herum. Ich klettere heraus und schaue auf die Reifen. Alle sind okay.
Erst jetzt bemerke ich die offene Motorhaube und erfahre, der Keilriemen sei gerissen. „Was passiert jetzt?“ will ich von jemandem wissen. Es sei schwierig, wir seien noch gut zwei Stunden von Nairobi entfernt, und die Werkstätten öffneten erst um sieben Uhr. Nur dort könne man Ersatz finden. Damit er meine aufsteigenden Tränen nicht sieht, wende ich mich ab.
In ein und derselben Nacht stecke ich auf dieser verdammten Straße mit zwei verschiedenen Bussen fest! Heute ist bereits der dritte Tag, und ich muß um sieben Uhr morgens den Bus in Nairobi nach Nyahururu erreichen, damit ich am vierten Tag den einzigen Bus nach Maralal erwische, sonst muß ich damit rechnen, daß der Kikuyu mein reserviertes Auto weiterverkauft. Ich bin verzweifelt über so viel Pech, das mir ausgerechnet dann passiert, wenn jede Stunde zählt. Laufend hämmert es in meinem Kopf: Ich muß Nairobi vor dem Morgen erreichen!
Zwei Pkws fahren vorbei, doch vor Privatleuten fürchte ich mich einfach zu sehr.
Nach gut zweieinhalb Stunden erkenne ich wieder die großen Lichter eines Busses.
Mit zwei brennenden Feuerzeugen stelle ich mich auf die Straße und hoffe, daß der Fahrer mich sieht. Er hält, es ist mein erster Bus! Lachend öffnet mir der Fahrer die Tür, und ich steige beschämt ein. In Nairobi habe ich gerade noch Zeit, einen Chai und etwas Kuchen zu verschlingen. Dann sitze ich im nächsten Bus nach Nyahururu.