Mich schmerzen Rücken, Nacken und Beine. Daß ich aber trotz des vielen Geldes an mir noch lebe und den Zeitplan einhalten kann, tröstet mich.
Mit klopfendem Herzen betrete ich in Maralal das Geschäft des Kikuyus. Eine Frau steht hinter dem Tresen und versteht kein Englisch. Ihrem Suaheli entnehme ich gerade soviel, daß ihr Mann nicht hier sei, ich solle morgen wiederkommen. Wie enttäuschend, daß Streß und Ungewißheit noch nicht vorbei sind!
Gegen Mittag sichte ich am nächsten Tag endlich das fette Gesicht. Auch der Landrover steht noch voll bepackt vor dem Geschäft. Er begrüßt mich kurz und räumt geschäftig das Auto leer. Ich stehe daneben wie bestel t und nicht abgeholt. Als er den letzten Sack aus dem Wagen räumt, will ich zum Geschäftlichen kommen.
Verlegen reibt er sich die Hände und erklärt dann endlich, er müsse umgerechnet 1
000 Franken mehr verlangen, weil er das Auto jemand anderem verkaufen könne.
Nur mühsam beherrscht sage ich ihm, daß ich das vereinbarte Geld bei mir habe und nicht mehr. Er zuckt die Schultern und meint, er könne schon warten, bis ich den Rest aufgetrieben habe. Unmöglich, denke ich, das dauert Tage, bis überhaupt Geld aus der Schweiz hier ist, und nach Mombasa fahre ich nicht mehr. Als er mich einfach stehen läßt und andere Leute bedient, stürze ich aus dem Geschäft in Richtung Lodging. Dieser elende Dreckskerl! Ich könnte ihn erschlagen.
Vor meinem Lodging steht der Landrover des Managers der Touristen-Lodge. Ich muß die Bar durchqueren, um in den Hinterhof zu gelangen, wo die Schlafräume sind. Der Manager erkennt mich sofort und lädt mich auf ein Bier ein. Er stellt mich seinem Begleiter vor, der im Maralal-Office arbeitet. Wir unterhalten uns erst über Belangloses, aber mich interessiert natürlich, ob Jutta noch in der Nähe ist. Leider nein, sie sei für einige Zeit nach Nairobi gegangen, um dort mit Malen wieder zu Geld zu kommen.
Schließlich erwähne ich mein Mißgeschick mit dem Landrover. Der Manager lacht und meint, dieser sei keine 2000 Franken mehr wert, denn sonst wäre er schon längst verkauft. Bei den wenigen Fahrzeugen hier kenne man jedes. Ich bin jedoch bereit, meine 2500 Franken zu bezahlen, wenn ich ihn nur bekomme. Er bietet mir seine Hilfe an, und wir fahren in seinem Wagen noch mal zum Kikuyu. Es wird hin-und herdebattiert, bis ich endlich meinen Wagen habe. Durch den Manager erfahre ich, daß ich das Logbuch vom Kikuyu bekommen muß und wir für die Umschreibung zusammen ins Office gehen müssen, da man hier ein Fahrzeug samt Nummer und Versicherung kauft. Der Manager besteht darauf, daß wir den Kauf mit ihm als Zeuge schriftlich festhalten und dann sofort das Office aufsuchen. Kurz vor Büroschluß halte ich das umgeschriebene Logbuch in den Händen und bin nochmals um fast 100
Franken leichter, aber glücklich. Der Kikuyu streckt mir den Schlüssel entgegen und wünscht mir viel Glück mit dem Fahrzeug.
Da ich noch nie ein solches Gefährt gesteuert habe, lasse ich mir alles erklären und fahre ihn zu seinem Geschäft zurück. Die Straße ist vol er Schlaglöcher, und das Lenkrad hat viel Spiel, wie ich schon nach fünf Metern feststelle. Das Schalten geht streng, dafür greift die Bremse sehr spät. So holpere ich natürlich ins erste Schlagloch, und mein Mitfahrer hält sich erschrocken am Armaturenbrett fest. „You have a driver-licence?“
fragt er zweifelnd. „Yes“, antworte ich knapp und versuche, wieder zu schalten, was nach einigem Stochern gelingt. Erneut unterbricht er mein konzentriertes Fahren und meint, ich fahre auf der falschen Seite. O shit, hier ist ja Linksverkehr! Der Kikuyu steigt bei seinem Geschäft erleichtert aus. Ich fahre weiter zur Schule hinunter, um mich außer Sichtweite mit dem Landrover vertraut zu machen. Nach einigen Runden beherrsche ich das Vehikel einigermaßen.
Nun fahre ich zur Tankstelle, weil die Benzinuhr nur noch ein Viertel anzeigt. Der Somali, der die Tankstelle betreibt, bedauert, im Moment sei kein Benzin erhältlich.
„Wann wird es wieder eines geben?“ frage ich optimistisch. Heute abend oder morgen, versprochen ist es schon lange, aber man wisse nie genau, wann es kommt. Schon stehe ich vor dem nächsten Problem. Jetzt habe ich zwar ein Auto, aber kein Benzin.
Das ist der reinste Hohn! Zurück beim Kikuyu bitte ich um Benzin. Er habe keines, gibt mir aber immerhin einen Tip, wo es zu Schwarzmarktpreisen zu kaufen ist.
Zwanzig Liter erhalte ich für einen Franken pro Liter. Doch das reicht nicht bis nach Barsaloi und zurück. Ich fahre zum Touristen-Lodging-Manager und bekomme tatsächlich zwanzig Liter. Jetzt bin ich zufrieden und nehme mir vor, morgen nach dem Einkaufen direkt nach Barsaloi zu fahren.
Gefahren im Busch
Am nächsten Tag gehe ich in der Früh zur hiesigen Bank und eröffne ein Konto, was nicht ohne diverse Erklärungen abgeht, weil ich weder einen Wohnort noch ein Postfach angeben kann. Als ich erkläre, in den Manyattas in Barsaloi zu wohnen, geraten sie völlig aus der Fassung. Wie ich dort hinkomme, wol en sie wissen. Ich erzähle von meinem Autokauf und bekomme endlich mein Konto. Meiner Mutter schreibe ich, damit der Geldnachschub nach Maralal erfolgt.
Mit Nahrungsmitteln beladen fahre ich los. Natürlich benütze ich den kürzeren Weg durch den Busch, da sonst mein Benzin nicht ausreichen wird, um hin- und später wieder zurückzufahren. Ich freue mich auf die Augen, die Lketinga machen wird, wenn ich mit dem Auto ins Dorf zurückkomme.
Der Landrover schlängelt sich den steilen, roten Naturweg hinauf. Kurz bevor der Wald beginnt, muß ich bereits den Vierradantrieb einschalten, um nicht steckenzubleiben. Ich bin stolz, daß ich das Vehikel so gut im Griff habe. Die Bäume kommen mir riesig vor, und man sieht an der zugewachsenen Spur, daß die Strecke längere Zeit nicht benutzt wurde. Dann fällt der Weg bergab, und ich fahre fröhlich drauflos.
Plötzlich sehe ich eine große Herde auf dem Weg stehen. Ich bremse sofort ab und wundere mich. Hatte mir nicht Lketinga erzählt, daß hier keine Kuhherden weiden? Doch als ich mich den Tieren auf etwa fünfzig Meter genähert habe, realisiere ich, daß die Kühe ausgewachsene Büffel sind.
Was hat Lketinga gesagt? Das gefährlichste Tier ist nicht der Löwe, sondern der Büffel. Und nun sind hier mindestens dreißig Stück, sogar mit Jungtieren. Es sind riesige Kolosse mit gefährlichen Hörnern und breiten Nasen. Während die einen friedlich weitergrasen, schauen einige zu meinem Auto. Zwischen der Herde dampft es. Oder ist es Staub? Gebannt starre ich auf die Tiere. Soll ich hupen oder nicht?
Kennen die ein Fahrzeug? Als sie die Straße nicht freigeben wol en, hupe ich nach längerem Warten doch. Sofort schauen al e Tiere hoch. Vorsichtshalber lege ich den Rückwärtsgang ein und hupe in kurzen Abständen weiter. Da ist es vorbei mit dem friedlichen Grasen. Einige der Kolosse beginnen zu bocken, schlagen mit gesenktem Kopf um sich. Gebannt sehe ich dem Schauspiel zu. Hoffentlich ziehen sie ab in den dichten Wald und kommen nicht den Weg hoch! Doch bevor meine Augen al es erfaßt haben, steht kein Tier mehr auf dem Weg. Der Spuk ist vorbei. Nur eine Staubwolke bleibt zurück.
Vorsichtshalber warte ich noch einige Minuten, bevor ich mit durchgetretenem Gaspedal den Weg hinunterrase. Der Landrover klappert, als würde er auseinanderbrechen. Nur weg hier, ist mein einziger Gedanke. Auf der Höhe der verschwundenen Tiere blicke ich kurz in den Wald, sehe aber kaum einen Meter weit. Lediglich den frischen Kot rieche ich. Das Lenkrad muß ich mit al er Kraft festhalten, damit es mir nicht aus der Hand gerüttelt wird. Nach fünf Minuten rasanter Fahrt werde ich langsamer, weil die Straße immer steiler wird. Ich stoppe und lege den Vierrad ein. Mit seiner Hilfe hoffe ich, dieses schräge Stück zu bewältigen, ohne zu kippen, da immer wieder Erdrisse oder Schlaglöcher auftauchen. Fieberhaft bete ich, daß das Fahrzeug auf seinen vier Rädern bleibt. Nur nie kuppeln, damit der Gang nicht herausfällt! Alles mögliche geht mir durch den Kopf, während ich Meter um Meter vorwärts fahre. Der Schweiß tropft mir in die Augen, doch wegwischen kann ich ihn nicht, denn ich muß mit beiden Händen das Steuerrad fest umklammern.