In den nächsten Tagen schweißt der Pater den Tank wieder an. Ich bin ihm sehr dankbar. Er erkundigt sich nebenbei, bei welchem Moran ich lebe, und wünscht mir viel Kraft und gute Nerven. Von ihm erfahre ich, daß es mit Benzin in Maralal immer ein Glücksfal sei und ich besser daran täte, ein oder zwei Fässer zu je zweihundert Litern zu besorgen und sie in der Mission zu deponieren, denn er könne mir nicht immer sein Benzin verkaufen. Ich bin froh über das Angebot, das sogar beinhaltet, meinen Landrover bei der Mission abstellen zu dürfen, weil sie auch nachts bewacht wird. Lketinga ist nur schwer zu überzeugen, den Wagen dort zu parken, denn er traut nicht einmal den Missionaren.

Die folgenden Tage verlaufen friedlich, außer daß täglich neue Menschen aufkreuzen, die fragen, wann wir nach Maralal fahren. Alle wol en mit. Endlich besitzt ein Samburu ein Fahrzeug, und alle betrachten es als ihr gemeinsames. Immer wieder muß ich erklären, daß ich nicht bereit bin, bei diesen Straßenverhältnissen zwanzig Leute in den Wagen zu setzen.

Die Fahrt geht los, selbstverständlich mit dem Mini-Chief, der bestimmen möchte, wer mitfahren darf. Natürlich nur Männer, die wartenden Frauen sol en zurückbleiben. Als ich eine darunter erblicke, die ein Kind mit stark vereiterten und verklebten Augen in ihrem Kanga hängen hat, frage ich, weshalb sie nach Maralal wil. Ins Hospital, weil hier keine Augenmedizin mehr erhältlich ist, antwortet sie, scheu auf den Boden blickend. So fordere ich sie auf einzusteigen.

Als der Chief sich auf den Beifahrersitz setzen will, nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und sage: „No, this place is for Lketinga.“

Dabei schaue ich ihm direkt in die Augen. Er gehorcht, doch ich weiß, daß ich von nun an bei ihm keine Sympathien mehr habe. Die Fahrt verläuft gut, und im Wagen wird viel geredet und gesungen. Für die meisten ist es die erste Autofahrt ihres Lebens.

Dreimal passieren wir einen Fluß, wobei ich den Vierrad benötige, sonst geht es ohne ihn. Trotzdem muß ich mich intensiv auf die Straße konzentrieren, da sie voller Löcher und Fahrrinnen ist. Der Weg erscheint mir unendlich lang, und das Benzin schwindet schnel.

Im Laufe des Nachmittags erreichen wir Maralal. Die Mitfahrer verlassen uns, und wir begeben uns gleich zur Tankstelle. Zu meiner großen Enttäuschung gibt es immer noch kein Benzin. Seit meinem Autokauf ist ganz Maralal offensichtlich ohne Benzin gewesen. Der Somali beteuert, heute oder morgen käme es. Ich glaube ihm kein Wort mehr. Lketinga und ich beziehen unser Lodging und verbringen dort die erste Nacht.

Inzwischen hat es in Maralal geregnet. Alles ist grün, fast als wären wir in einem anderen Land. Nachts ist es dafür um so kälter. Zum ersten Mal mache ich die Erfahrung, wie furchtbar Moskitos sein können. Schon beim Abendessen, das wir in unserem kalten Raum einnehmen, damit wir ja nicht beobachtet werden, stechen mich die Mücken am laufenden Band. Knöchel und Hände sind in kurzer Zeit angeschwol en. Ununterbrochen schlage ich Mücken tot, während unter dem Dach neue hereinschwirren. Komischerweise scheinen sie weiße Haut zu bevorzugen, denn mein Massai kriegt nicht mal die Hälfte der Stiche ab. Als wir im Bett liegen, surrt es dauernd um meinen Kopf. Lketinga zieht die Decke komplett übers Gesicht und merkt deshalb natürlich nichts.

Nach einiger Zeit schalte ich genervt das Licht an und wecke ihn. „I can't sleep with these mosquitoes“,

sage ich verzweifelt. Er steht auf und geht. Nach zehn Minuten kommt er zurück und stellt ein grünes, schneckenförmig geschwungenes Ding auf den Boden, eine Moskitokeule, die er an einem Ende anzündet. Tatsächlich verschwinden die Viecher nach kurzer Zeit, dafür stinkt es gräßlich. Irgendwann schlafe ich ein und erwache erst morgens um fünf, als mich erneut die Moskitos plagen. Die Keule ist völlig heruntergebrannt, sie reicht offensichtlich nur für sechs Stunden.

Wir warten schon vier Tage, und immer noch gibt es kein Benzin. Vor Langeweile kaut Lketinga wieder Miraa. Dazu kippt er heimlich zwei bis drei Bier. Mir paßt das nicht, doch was sol ich sagen, die Warterei nervt auch mich. In der Zwischenzeit haben wir das Office aufgesucht, um unsere Heiratsabsichten bekanntzugeben. Wir werden von einem zum anderen geschickt, bis jemand gefunden wird, der sich mit standesamtlichem Heiraten auskennt. Hier kommt so etwas ganz selten vor, da die meisten Samburus mehrere Frauen haben können, wenn sie traditionel heiraten.

Geld für das Standesamt haben sie nicht, und niemand legt Wert darauf, weil die Mehrfrauen-Heirat dann nicht mehr möglich ist. Diese Erläuterung bringt uns durcheinander, Lketinga jedoch aus einem anderen Grund als mich, wie ich bald feststellen muß.

Im Moment aber kommen wir nicht dazu, viel nachzudenken. Als nämlich der Officer seine Identitätskarte und meinen Paß verlangt, um die Daten zu notieren, stel t sich heraus, daß Lketinga keine mehr hat. Sie ist ihm in Mombasa gestohlen worden. Der Officer macht ein betretenes Gesicht und meint, dann müsse er eine in Nairobi bestel en, was aber sicher zwei Monate dauern würde. Erst wenn er al e Daten habe, könne er uns ausschreiben und nach sechs Wochen trauen, falls kein Einspruch vorliegt. Das heißt für mich, daß ich spätestens in drei Wochen Kenia verlassen muß, da mein verlängertes Visum abläuft.

Während Lketinga wieder sein Kraut ißt, spreche ich ihn auf die Mehrfrauen-Ehe an. Er bestätigt mir, daß es ein Problem für ihn bedeute, wenn das nach unserer Hochzeit nicht mehr möglich sei. Diese Äußerung trifft mich hart, und ich versuche ruhig zu bleiben, da es für ihn ja normal und nichts Böses oder Falsches ist, aus meiner europäischen Sicht aber undenkbar. Ich versuche mir vorzustel en, wie er mit mir und noch ein oder zwei Frauen lebt. Bei diesem Gedanken schnürt es mir vor Eifersucht fast die Luft ab.

Während ich nachsinne, sagt er mir, daß es für ihn nicht möglich sei, mich in diesem Office zu heiraten, wenn ich ihm später nicht erlauben würde, noch eine Samburu-Frau traditionell zu heiraten. Das ist mir nun doch zuviel, und ich kann meine Tränen nicht zurückhalten. Erschrocken schaut er mich an und fragt: „Corinne, what's the problem?“

Ich versuche, ihm zu erklären, daß wir Weißen so etwas nicht kennen und ich mir das Zusammenleben so nicht vorstellen kann. Er lacht, nimmt mich in den Arm und küßt mich kurz auf den Mund. „No problem, Corinne. Now you wil get my first wife, pole, pole.“

Er wil viele Kinder, mindestens acht. Ich muß nun doch schmunzeln und erkläre, mehr als zwei wolle ich nicht. Eben, meint mein Krieger, dann sei es besser, wenn noch eine zweite Frau Kinder bekäme. Und überhaupt wisse er ja nicht, ob ich ihm Kinder schenken könne, und ohne Kinder sei ein Mann nichts wert. Dieses Argument akzeptiere ich, weil ich wirklich nicht weiß, ob ich Kinder kriegen kann. Vor Kenia hatte das keine Bedeutung für mich. Wir besprechen dies und jenes, bis ich zu folgendem bereit bin: Fal s ich in zwei Jahren noch kein Kind habe, darf er nochmals heiraten, anderenfalls muß er mindestens fünf Jahre warten. Er ist mit meinem Vorschlag einverstanden, und ich beruhige mich selbst, indem ich mir sage, fünf Jahre sind eine lange Zeit.

Wir verlassen den Schlafraum und spazieren durch Maralal in der Hoffnung, daß inzwischen der Benzinnachschub eingetroffen ist. Aber es gibt nach wie vor keines.

Dafür treffen wir auf meinen ewigen Retter Tom und seine junge Frau. Sie ist noch fast ein Kind und blickt scheu auf den Boden. Glücklich ist dieses Mädchen nicht. Wir erwähnen, daß wir schon vier Tage auf Benzin warten. Unser Freund fragt, warum wir nicht an den Lake Baringo führen, das sei nur etwa zwei Stunden von hier entfernt, und dort gäbe es immer Benzin.

Von diesem Vorschlag bin ich begeistert, da mir die Rumhängerei zuwider ist. Ich schlage ihm vor, mit seiner Frau mitzukommen, da ich ihm ja noch eine Safari schuldig bin. Er bespricht sich kurz mit ihr, doch das Mädchen fürchtet sich vor dem Auto. Lketinga lacht und kann sie schließlich überzeugen. Wir nehmen uns vor, gleich am Morgen loszufahren.


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